08-05-2020, 15:16
(07-05-2020, 22:19)Ulan schrieb: Aber das ist doch sowieso schon Thema hier?
Es ging einfach darum, dass Jesus in einigen christlichen Texten als Gott hellenistischen Zuschnitts begriffen wurde.
Gut, dann bleiben wir mit der Vergottung Jesu hier in diesem Thread. Sie ist literarisch nachvollziehbarer und für das Verständnis des Urchristentums ein ganz wichtiger Prozess.
Wenn Du auf das Gottesverständnis "hellenistischen Zuschnitts" abstellst, hast Du Recht. Aber nur für den heidenchristlichen Teil der Urchristen! Die hatten Göttervorbilder genug, sogar trinitarischen Zuschnitts (z.B. Hermes im 3. vorchr. Jh.) Der gräzisierte Briefe-Autor Paulus kannte das auch bei "seinem" Publikum.
Für den judenchristlichen Teil aber unvorstellbar (siehe auch Dein # 18)! Ihr strenger Monotheismus, den sie schon mit der Muttermilch aufsogen , hätte einen zweiten oder gar dritten Gott (den Heiligen Geist) nicht akzeptiert. Für sie war Jesus das, was dieser selbst und auch seine Jünger von ihm geglaubt haben: der Messias. Nicht mehr: Auch in seiner sozial erlösenden Gestalt im Vorfeld des jüdisch/römischen Krieges - mit dem bitteren Ergebnis der Tempelzerstörung 70 n.Chr. Gott hatte ab da keine Wohnung mehr.
In diesem Spannungsfeld entwickelte sich das Urchristentum von einer ursprünglichen Religion für Arme, Sklaven, ja für den einfachen "Pöbel" erst im 2. Jh. Mit dem JohEv erstmalig auch für ein intellektuelles Publikum. Während Markus Matthäus und Lukas im 1.Jh. noch vorsichtig mit dem "Gott" Jesus umgingen, nahm dann im 2. Jh. die Vergottung Fahrt auf, nicht zuletzt auch mit diesem ominösen unechten Petrusbrief, der ja dieser Zeit zuzuordnen ist.
Entgegen den Evangelien mit unbekannten Autoren wird uns hier mit den beiden Petrus-Briefen immerhin der engste Begleiter Jesu, Petrus der Fels Kephas, vorgeführt. Dem musste doch viel mehr Autorität beigemessen werden. Insofern ist die als unerheblich empfundene Authenzität (Dein Beitrag #35) doch nicht so "egal".
Die Kardinalfrage, von Dir ausgelöst, ist aber die: Wer war früher da, die Evangelien/Briefe oder die frühchristliche Befindlichkeit. Hier ist es wie bei dem Huhn und dem Ei. Man kann es nicht schlüssig beantworten. Fest steht aber, dass die gedächtnismäßig bestens geschulten Israeliten/Juden/Araber/Ägypter über Jahrzehnte hinweg auch die Vorlagen für die Evangelienschreiber geliefert haben. Günstigstenfalls haben sie die Tonalität der Schriften damit bestimmt - und nicht umgekehrt.
Bedenken wir: Die Leute waren ungebildet, konnten weder lesen noch schreiben (Paulus ließ bekanntlich seine Briefe in den Gemeinden vorlesen) und hingen den Rhetoren andächtig an den Lippen. Alles Beweise dafür, dass die Autoren auch die Meinung des "einfachen Volkes" mit ihren Schriften beeinflussen konnten.
Akribisch ausgeleuchtet (wie heute üblich) haben sie die Texte mit Sicherheit nicht. Sie "wollten" einfach glauben!
MfG
