(23-10-2019, 15:12)Kreutzberg schrieb: Guten Tag,
... das Paulus nicht so ohne weiteres immer auf offene vorbehaltlose Ohren traf wird durch die Einwände der Frühchristen in Korinth deutlich. Hierzu gibt es offenbar auch eine Reihe von wissenschaftlichen Stellungnahmen im Netz.
a) Was den eigentlichen Sachverhalt betrifft so kann ich gut nachvollziehen, dass Paulus möglicher Weise auch auf Frühchristen getroffen ist die kritisch reflektieren konnten.
Vor allem war Paulus nicht der einzige "Apostel" in diesen Gemeinden. Ich beziehe mich dabei auch nicht auf irgendwelche Jerusalemer Apostel, sondern solche, deren Hintergrund nirgendwo erwaehnt wird, die aber anscheinend eine gleichwertige Stellung mit ihren eigenen Anhaengern in den Gemeinden hatten. Paulus betont als seine "Sonderlehre" die, dass Christus am Kreuz gestorben sei.
(23-10-2019, 15:12)Kreutzberg schrieb: Für mich ist zunächst einmal wissenswert, ob insbesondere griechische Frühchristen auch Zugang zu anderen Frühchristliche Schriften hatten.
Es wird in diesem Zusammenhang behauptet, dass Paulus nur selektive Kenntnisse zum Neuen Testament vorweisen konnte. Daher konnte er durchaus in Schwierigkeiten kommen wenn er einem belesenen Kritiker gegenüber stand.
Das "Neue Testament" gab es damals noch nicht. Nach gaengiger Chronologie waren die Briefe des Paulus die einzigen NT-Texte, die damals existierten. Insofern war Paulus eher der einzige aller Apostel, der "Kenntnisse zum Neuen Testament" hatte.
Was aus den Briefen des Paulus deutlich wird, ist, dass er keinen juedischen Wanderprediger Jesus Christus kannte. Er erwaehnt ihn mit keinem Wort und zitiert ihn auch nicht. Paulus kennt nur den "lebensspendenden Geist", mit dem er kommuniziert. Die Charakterisierung von Jesus Christus in den Briefen des Paulus und die Tatsache, dass Paulus seine eigene Kenntnis Jesu Christi als gleichwertig mit der der Jerusalemer Apostel ansah, hat schon viele Spekulationen zu der Frage ausgeloest, was das Fruehchristentum eigentlich war.
(23-10-2019, 15:12)Kreutzberg schrieb: b) Von der Logik her kann ich mir ehrlich gesagt aber nicht vorstellen, dass ein kritisches Netzwerk im gesamten griechischen Kulturraum vorhanden war. Die griechische Kultur war wohl auf kritischem Dialog geeicht, was für einen Prediger sicherlich recht anstrengend sein konnte.
Diese unangenehme Erfahrung hatte ja bereits Petrus in Athen gemacht wie ich aus einigenGeschichtsbüchern anschaulich sehen konnte.
"Geschichtsbuecher" wiederholen hier nur, was in der Apostelgeschichte steht. Separate Quellen zu Petrus gibt es nicht. Paulus hatte in Athen auch keinen Erfolg. Aus den Briefen des Paulus oder der Apostelgeschichte wird nicht ersichtlich, dass christliche Strukturen weit ueber die von ihm erwaehnten Orte hinausgingen. Es waere auch interessant zu wissen, was die Gemeinden, die Paulus besuchte, eigentlich waren. Es sieht in den meisten Faellen nicht so aus, als waeren es tatsaechlich seine Gruendungen gewesen, sondern dass wir es mit vorexistierenden Strukturen zu tun hatten. Etwas anders sieht es bei den an "Pater familias"-Haushalte angeknuepften Gemeinden aus, die wohl durchaus Neugruendungen waren.
Ueber die Strukturen in Aegypten oder dem syrischen Hinterland ist so gut wie nichts bekannt fuer die Zeit.

