(15-07-2019, 23:30)Sinai schrieb: Du schreibst vom 15. Dezember 167 v.Chr.
Diese Jahreszahl muß auch Jesus bekannt gewesen sein (Jesus war ja gerne im Tempel und wurde mosaisch erzogen)
Wenn nun Jesus von einem zukünftigen Gräuel am heiligen Ort spricht, dann kann er nicht die Vorfälle des Jahres 167 v.Chr. gemeint haben
Das ist beliebig unwahrscheinlich. Als Galilaeer von irgendeinem winzigen Kaff auf dem Lande hatte er mit Sicherheit keine besondere Erziehung. Die Tempelepisoden in den Evangelien sind sowieso nachtraeglich erfundene Legenden.
(15-07-2019, 23:30)Sinai schrieb: Mit beiden Zeitpunkten bin ich nicht zufrieden:
167 v.Chr paßt nicht in eine Warnung Jesu vor zukünftigen Dingen
(15-07-2019, 23:11)Ulan schrieb: Wie Ekkard sagt, das NT benutzt das AT als Steinbruch.
Das Wort "Steinbruch" ist zwar plakativ aber nicht passend
Das Wort "Zitatensammlung" wäre angebracht
Wenn heute ein Wissenschaftler eine Lehre entwickelt, wird von ihm verlangt, daß er seine Ideen belegen kann. Er zitiert die von ihm verwendeten Textbausteine genau um die wissenschaftlichen Qualitätskriterien zu erfüllen.
Tun sie ja. Eigentlich fuer andere Ereignisse geschriebene Prophezeiungen im AT wurden fuer neue Ereignisse umfunktioniert. Ein sehr schoenes Beispiel aus Qumran ist zum Beispiel der Habakuk-Pescher*, wo beides, der Originaltext von Habakuk und die uebertragene Bedeutung fuer zeitgenoessische Vorgaenge im selben Text aufgefuehrt sind. Inhaltlich hat der mit Jesus natuerlich nichts zu tun, aber er zeigt auf, dass die Vorgehensweise fuer religioese Juden ganz normal war. Das wird uebrigens auch heute noch gemacht.
Das Markus-Evangelium ist doch ein schoenes Beispiel. Im Prinzip faengt es damit an, ein Zitat aus Maleachi mit einem Zitat aus Jesaja zu kombinieren und daraus eine neue Geschichte zu spinnen. Das Evangelium ist voll von solchen Andeutungen.
Insofern muss man immer im Hinterkopf behalten, dass das urspruengliche Evangelium im Prinzip eine allegorische Umdeutung alttestamentlicher Texte gewesen sein koennte, die die Kriegsereignisse der Jahre bis 70 verarbeitete. Ob die darin auftauchenden Charaktere wirklich existierten oder nicht, ist dafuer nicht einmal erheblich. Dass mehrere der in den Evangelien verarbeiteten Erzaehlungen auch bei Josephus, aber anderen Personen zugeordnet, zu finden sind, macht das fuer mich noch wahrscheinlicher.
Uebrigens hat auch Paulus das gemacht. Er hat ja selbst behauptet, er haette Christus "in den Schriften gefunden". Dass er je irgendetwas von einem Wanderprediger aus Galilaea gehoert haette, ist aus seinem umfangreichen Briefmaterial nicht zu entnehmen.
*Zur Wortbedeutung (Zitat Wikipedia): "Ein Pescher (hebräisch פשר, Pl. Pescharim) ist eine literarische Gattung der Bibelauslegung, wie sie sich in den Schriftrollen vom Toten Meer findet. Dabei wird ein zumeist prophetischer Text auf die eigene Gegenwart der Verfasser gedeutet, dies jedoch wiederum in Chiffren. Inwieweit sich aus diesen oft dunklen Anspielungen historische Daten der Qumran-Gemeinschaft und ihrer Umwelt erheben lassen, ist umstritten."