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Jesus Tempelvergleich : Beispiel für verklärte Sprache
#47
(06-09-2018, 14:00)Kreutzberg schrieb: Das verstehe ich nicht ganz !!!

> nach mir vorliegenden Informationen sind 3 Evangelien inhaltlich "fast" identisch, weshalb man diese auch als synoptische Evangelien bezeichnet. Vor diesem Hintergrund ist die Vielstimmigkeit der christlichen Botschaft nach meiner Ansicht auch stark übertrieben. Es sind nach meiner Wahrnehmung vielmehr "Nuancen" die offenkundig den Unterschied ausmachen.

Die sogenannten 3 synoptischen sind drei verschiedene Bearbeitungen ein und desselben Texts. Trotzdem wurde diese Bearbeitung dafuer genutzt, verschiedene theologische Modelle zu begruenden und unterschiedliche Ideen zur Natur von Jesus zu erarbeiten, und Matthaeus und Lukas haben unterschiedliche Ergaenzungen zum Text des Markus, die zum Teil wiederum fuer sich eine gemeinsame Quelle haben.

Wie gesagt, im Markus-Evangelium wird Jesus erst durch die Taufe von Gott "adoptiert", indem der Geist Gottes in ihn einfaehrt und ihn von diesem Punkt an steuert ("er (der Geist) trieb ihn (Jesus) in die Wueste"). Deshalb braucht das Markus-Evangelium auch keine Geburtsgeschichten, da das Vorleben Jesu den Autor nicht die Bohne interessiert. Matthaeus und Lukas dagegen sehen die "Entstehung" von Jesus Christus schon in seiner besonderen Geburt. Beide erfanden unterschiedliche Geschichten, um diese theologische Neuerung zu begruenden. Johannes dagegen hat einen (Jesus?) Christus, der von der Erschaffung der Welt her existiert hat, weshalb er die Taufe Jesu in seinem Text entfernt hat.

(06-09-2018, 14:00)Kreutzberg schrieb: Eine interessante Überlegung führt mich zu einer gewagten Hypothese : eine schwammige Formulierung kennen wir ja auch heute noch, sogar in Gesetzestexten sind diese zu finden !!! - Es ist m. E. so, dass wer konkret wird  sich leider auch angreifbar macht. Der Schreiber der dagegen wage bleibt in seinen Aussagen, lässt natürlich Raum für Interpretationen. Vor diesem Hintergrund habe ich den Eindruck, dass dieses Manko bewusst in Kauf genommen wurde.

Nur das Markus-Evangelium arbeitet mit "Geheimnissen". Die anderen versuchen zu erklaeren. Das Johannes-Evangelium ist ja unter anderem deshalb so beliebt, weil dort Jesus in langen Monologen haarklein alles erklaert.

Ich denke, die Evangelien sind heutzutage sogar viel einheitlicher als sie es bei ihrer Entstehung urspruenglich waren. Ich halte es fuer recht wahrscheinlich, dass unser Lukas-Evangelium eine "orthodoxe" Ueberarbeitung des Evangeliums, das Marcion benutzte, war. Die Indizienlage dafuer halte ich fuer ueberzeugend.

Der Kirchenvater Irenaeus hat die einzelnen Evangelien ja verortet. Er ordnet das Matthaeus-Evangelium den Ebionitern zu (diese hielten Jesus fuer einen gewoehnlichen Menschen, einen Propheten halt), das Lukas-Evangelium den Markioniten (diese lehnten den Gott Israels als "Demiurg" ab und sahen Jesus als Boten eines anderen, unbekannten Gottes), das Markus-Evangelium den Doketisten (diese lehrten, dass Christus kein Mensch aus Fleisch und Blut war, sondern ein Geist, der auf der Erde nur die Form eines Menschen angenommen hatte) und das Johannes-Evangelium den Valentianern (diese folgten wohl einem komplizierten gnostischen Modell, das sich nur noch schwer rekonstruieren laesst).

Zum Teil sind diese Zuordnungen heutzutage nur noch schwer nachzuvollziehen. Dass alle Evangelien Spuren von Ueberarbeitungen haben, ist klar. Das Markus-Evangelium hat aber keine doketistische Ausrichtung (mehr?), aber immer noch eine adoptionistische/separationistische (der Geist "Christus" faehrt bei der Taufe in Jesus ein und verlaesst ihn bei Jesu Tod wieder). Wer weiss, vielleicht erklaert der Zusammenhang mit Doketismus, warum irgendjemand das Ende des Evangeliums hat verschwinden lassen. Dass das Lukas-Evangelium Beziehungen zu den Markioniten hat, ist klar und vielfach belegt. Proto-gnostische Anteile lassen sich im Johannes-Evangelium immer noch finden, und dieses zeigt noch sehr deutliche Spuren, dass es aus verschiedenen Texten von unterschiedlichen Autoren zusammengefuegt wurde, also wohl "entschaerft". Das Matthaeus-Evangelium wiederum sieht eigentlich recht einheitlich aus, von den unterschiedlichen Quellen (Markus-Evangelium, Q, etc.) mal abgesehen, so dass man nicht so recht weiss, warum das jetzt gerade ebionitisch gewesen sein sollte.
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RE: Jesus Tempelvergleich : Beispiel für verklärte Sprache - von Ulan - 06-09-2018, 19:29

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