(01-09-2018, 16:41)Ulan schrieb:(01-09-2018, 11:21)Sinai schrieb: Ich halte dieses Argument für Unsinn. Sicher hat der dümmste römische Soldat gewußt, daß das religiöse Symbolsprache war.
Außerdem war Jesus seit Jahrzehnten tot - woher denn echtes Blut und Fleisch nehmen ??
Die Wortspielerei mit dem "Kannibalismus" wurde von protestantischer Seite im preußischen Kulturkampf (Höhepunkt um 1875) halb ernst in Umlauf gebracht, um die Transsubstantion der Katholiken ins Lächerliche zu ziehen . . .
Laut katholischem Dogmen handelt es sich nicht um Symbolismus. Wer sagt, dass die Wandlung des Brots in Fleisch symbolisch und nicht real ist, ist ein Haeretiker. Aus katholischer Sicht ist Deine Position also haeretisch. Die Lateransynode von 1079 dazu:
( . . . )
„ . . . das Geheimnis des heiligen Gebetes . . . in proprietate naturae et veritate substantiae ...“
Zum Kannibalismus wird es dadurch, dass man diese Lehre mit der Lehre ueber die Natur Christi kombiniert.
Da also Christen behaupteten, den wahren Leib Christi zu verzehren, ergab sich der Vorwurf des Kannibalismus auch in antiken Zeiten von selbst. Das war einer der normalen Vorwuerfe an Christen. Verurteilungen gab es auch regelmaessig wegen Atheismus.
Ich denke, wir sollten nicht den Fehler machen, unterschiedliche Epochen zu vermischen.
1.) Die Christenverfolgungen in Rom fanden 249 - 311 statt.
2.) Die Lateransynode fand 1079 statt !
3.) Heute wird niemand als Häretiker bezeichnet, der den Wortlaut der Lateransynode von 1079 nicht kennt. Den kennen selbst manche studierte Geistliche nicht.
Außerdem schreibst Du sehr richtig, daß hier in dem Text dieser Lateransynode von 1079 wörtlich von einem Geheimnis die Rede war, es kann niemand der Vorwurf gemacht werden, wenn er sich in einem Geheimnis nicht auskennt . . .
Dazu der verwirrende Text in einer schon damals toten Sprache (Latein), den fast niemand lesen konnte
Ein für das Volk bindender Text wurde nie in Latein geschrieben! Das war ein Schmankerl für Theologen der hohen Sorte, die das Geschlecht der Engel diskutierte (Scholastiker)
Derartige Spitzfindigkeiten waren nie für das Volk bestimmt
Und man muß bedenken, daß die Jahre um 1079 eine sehr aufgeheizte Zeit war, 1054 war die Zeit der Kirchenspaltung zwischen Rom und Byzanz
Und wenn man liest, welche religiösen Ansichten die Juden oder die Moslems um 1079 verbreiteten, so findet man auch dort manche historische Delikatessen (um es höflich auszudrücken)
Man lese nur die Responsen des RaMBam (Rabbi Maimonides) hundert Jahre später, wo er sich mit schweren theologischen Problemen und Lehren des Judentums auseinandersetzt, die dort seit Generationen kursierten
Ich denke, die Zeit ab 1050 war eine Zeit der heftigsten Diskussionen in Christentum und Judentum
Doch wir sollten hier nicht den Fehler machen, antike Anschuldigungen des Römischen Staates gegen Christen aufzuwärmen. 1079 war das Christentum staatstragende Reichskirche
Die Idee, Katholiken auch nur gedanklich des Kannibalismus zu zeihen, ist wohl ebenso konstruiert wie die Idee, Katholiken der Tierverehrung zu zeihen weil sie das 'Lamm Gottes' anrufen (siehe meinen vorigen Beitrag), oder Christen jedweder Konfession des Inzests zu zeihen, weil die sich als Brüder und Schwestern bezeichnen, und dennoch heiraten
Wie der Titel des vorliegenden Threads andeutet, handelt es sich um eine "verklärte Sprache"
Und daß aus heutiger oder mittelaltelicher katholischer Sicht die Position, daß Katholiken keine Kannibalen sind, häretisch wäre, vermag ich nicht zu glauben

