22-09-2014, 10:14
Zitat:1.Kor 13,4-7Könnte sein. Da würde ich dir sogar zustimmen. Allerdings ist ein solches Lieben jedem Menschen unmöglich. Dass die Christen dazu nicht besser in der Lage waren als alle anderen, zeigt ja ein Blick in die Geschichte. Und auch Jesus und Gott selbst halten sich nicht wirklich daran. Gott duldet ja - laut Jesus - nicht einmal den flüchtigsten sündigen Gedanken. Der Mensch soll ständig auf der Hut sein, weil Gott ihn jederzeit zur Rechenschaft ziehen könnte, und muss ständig um Gnade betteln. Beides sollte bei wahrer Liebe nicht notwendig sein.
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, sie neidet nicht, die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, sie benimmt sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit; sondern sie freut sich mit der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.
Wenn ein Mensch diese Liebe hat, hat er Gottes Geist, da bedarf es keiner Religion.
Dabei ist Gott, was Lieben betrifft, doch eigentlich dem Menschen gegenüber im Vorteil: Er kennt sein Gegenüber und seine Motive, während der Mensch zuweilen fassungslos vor den Handlungen seiner Mitmenschen steht, die er trotzdem lieben soll. Er könnte jederzeit gegensteuern - nicht nur mit Brachialgewalt, sondern auch behutsam und ohne die Psyche der Beteiligten zu verbiegen. Aber aus lauter "Liebe" schaut er lieber zu, wie die Menschen andere ins Unglück stürzen, um nach dem Tod als "gerechter" Richter Verurteilungen auszusprechen.
Gott braucht nicht zu hoffen, denn er weiß ja im voraus, was passiert, und wenn es ihm nicht gefällt, könnte er es abwandeln. Er braucht auch nichts zu ertragen außer vielleicht der (für ein allmächtiges Wesen doch wohl geringfügigen) Kränkung, dass ein paar Menschen nichts von ihm halten. Menschen dagegen müssen sich manchmal sogar von andere Menschen demütigen und misshandeln lassen. Ein Problem, das ein allmächtiger Gott gar nicht haben kann, und das er auch nicht hat, wenn er sich freiwillig in Menschengestalt zu Tode foltern lässt. Denn er könnte sich ja jederzeit heraushelfen (schließlich behauptete Jesus, er könne Gott jederzeit um eine Legion Engel bitten, um ihn vor der Kreuzigung zu bewahren), während viele Menschen ihren Peinigern hilflos ausgeliefert sind.
Aus Gottes Sicht wäre es also einfach, die Menschen zu lieben, da er ja nie in Gefahr geraten kann, von ihnen schlecht behandelt zu werden, nicht einmal, wenn sie ihn hassen. Aber er tut es anscheinend nicht, und wenn, dann nur unter Bedingungen, die kein normaler Mensch (auch Jesus nicht) erfüllen kann.
Da ist mir eine rein menschliche Liebe, deren Grundlage die (selbstverständliche und nicht durch eine Religion erzwungene) Achtung vor dem Mitmenschen ist, lieber. Die Menschenrechte beispielsweise stehen jedem Menschen zu, egal, wie er ist oder wie er sich verhält. Da genügt es, ein Mensch zu sein.

