09-06-2014, 22:05
(09-06-2014, 17:22)Sinai schrieb: Jetzt stell Dir mal folgendes vor: in der besagten Gemeinde ist ein Alkoholiker.
Ein unangenehmer Mann. Beim Pfarrausflug sauft er über den Durst und beginnt unangenehm zu werden. Die Leiterin der Reiseveranstaltung ist die Pfarrerin. Sie weist ihn zurecht, daß er nichts mehr saufen soll. Der Mann redet zurück und es entsteht ein Streitgespräch. Sie hält ihm vor allen Leuten eine Moralpauke, daß Alkohol schädlich ist.
Na was glaubst Du, was dann gschieht: er wird frech aufstehen und der Pfarrerin ins Gesicht sagen, sie soll sich nicht wichtig machen. Früher, beim alten Pfarrer hat er ja auch trinken können was er wollte, aber jetzt, seit die neue Pfarrerin hier ist, will sie neue Sitten einführen, da hat sie sicher ihr mohammedanischer Mann beeinflußt usw
Mit anderen Worten: Eine Pfarrerin darf keinen Moslem lieben und heiraten, weil irgendwelche Rassisten sonst zu gute Argumente gegen sie hätten.
Ist das wirklich dein Ernst, Sinai? Aus so einem lächerlichen Grund sollte es evangelischen Pfarrerinnen jetzt verboten sein, Moslems zu heiraten, oder gar Juden oder Buddhisten oder Hindus? Oder Atheisten, stell dir vor was dann los ist! Tut mir leid, ich kann das ja echt fast nicht ernst nehmen. Ich bin wirklich etwas schockiert von dieser Denke. Das ist ja fast Mittelalter-Niveau. Warum sollte es eine Rolle spielen, wenn eine Pfarrerin jemanden heiratet, der nicht dieselbe Religion hat wie sie? Warum sollte sich die Erlaubnis zu religionsübergreifenden Ehen auf den Beruf der Eheleute beziehen? Ist es irgendwie wichtig, dass Personen in kirchlichen Ämtern uns ein Beispiel an Intoleranz und Verbohrtheit sind?
Ich behaupte, genau das Gegenteil ist der Fall. Deine konstruierte Gemeinde, die ja offensichtlich in den 30ern stecken geblieben ist und zu ihrer Pfarrerin aufsieht wie zum Herr Schulrektor und sich über die nervigen Hausaufgaben beschwert könnte von ihrer modernen Pfarrerin noch was lernen. Anstatt dass schon die Kinder der Gemeinde die latente Einstellung "Igitt ein Moslem, was ist das denn" mitbekommen, hätten sie die Chance, den Andersgläubigen als gleichberechtigtes und normales (!) Mitglied einer Gesellschaft zu begreifen, die ihre Angst vor Vermischung mit der Fremde endlich mal hinter sich gelassen hat. Eine Pfarrerin mit einem muslimischen Ehemann wäre GANZ SUPER für ihre Gemeinde, wenn du mich fragst.
Aber zu sagen, so ein Ehemann würde dich argumentativ angreifbar machen, das ist ja wirklich aus dem letzten Jahrhundert. Ein bisschen so: "Lass dich nicht mit so einem sehen, denk an deinen guten Ruf (als gute Christin)!" Findest du das im 21. Jahrhundert wirklich noch vertretbar?
Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. (Friedrich Nietzsche)

