Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
die APOSTEL : zw. Keimzelle der Kirche und Randnotiz der Geschichte
#10
(21-02-2014, 10:12)Kreutzberg schrieb: Wir könnten ja an dieser Stelle auch einmal eine wichtige Verständnisfrage stellen, die zeigt auf welchem historischen Level wir uns dato befinden.

Ab wann beginnt denn eine bibelwissenschaftliche Forschung, die nach belegbaren Fakten sucht in der Bibelforschung ; man hat den Eindruck, dass diese erst nach dem 2. Weltkrieg einen zarten Anfang nahm und erst in den letzten 10 - 15 Jahren erstmals für Außenstehende medial erfahrbar ist.

Oh nein, die ernsthafte bibilische Forschung ist sehr viel aelter als das. Du kennst wahrscheinlich Albert Schweitzer, und der hat schon 1911 ein Buch geschrieben mit dem Titel "Geschichte der Paulinischen Forschung von der Reformation bis auf die Gegenwart". Wohlgemerkt, das ist kein Buch ueber Paulus (mittelbar natuerlich schon), sondern ein Buch ueber die Forschung zu Paulus. Die Idee, dass das Lukas-Evangelium ein umgeschriebenes Evangelium von Markion ist, wurde in Deutschland von Adolf von Harnack zuerst geaeussert, und der schrieb Baende wie "Geschichte der altchristlichen Literatur (3 Bde., Leipzig 1893–1904), wobei die genannte These aus "Marcion - Das Evangelium vom fremden Gott" (Leipzig 1921) ist.

Aber das sind eigentlich nur die Nachwehen. Die hollaendische Schule der "Radikalkritik" nahm wohl 1878 mit einem Aufsatz von Allard Piersson ihren Anfang, wo er behauptete, dass selbst der Galater-Brief nicht von Paulus ist, was dann eine ganze Reihe von Forschern zu Untersuchungen in aehnliche Richtung brachte.

Aber das ist immer noch nicht die Wurzel. Die liegt in Deutschland in der sogenannten Tübinger Schule, gegruendet von Ferdinand Christian Baur (1792-1860) im Jahre 1826, der die historisch-kritische Methode in die neutestamentliche Forschung einfuehrte. Von ihm gibt's z.B "Paulus, der Apostel Jesu Christi (Stuttgart 1845) oder "Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis zueinander, ihren Ursprung und Charakter" (Tübingen 1847). Wobei die historisch-kritische Methode auch ihre Probleme hat, so dass die eventuell nicht Deinen Kriterien entspricht; man muss da sehr vorsichtig sein, das halbwegs vernuenftig zu machen und nicht einfach unbewiesene Annahmen in den Text reinzustecken, wobei die Annahme, dass da ueberhaupt ein historischer Kern in dem Text steckt, ja schon einmal eine sehr grosse ist.

Der Kampf um vernuenftige historische Methoden in der Bibelforschung muss aber immer weitergefuehrt werden. Nicht, dass es nicht genuegend Bibelforscher gaebe, die das anwenden, aber die Stimmen, die sie versuchen zu uebertoenen, sind manchmal sehr laut. Was aber eher ein Problem der Oeffentlichkeit ist. Mir hat ein evangelischer Pastor, den ich naeher kenne, mal gesagt, dass die Leute wahrscheinlich mit den Ohren schlackern wuerde, wenn sie wuessten, welche Dinge in der normalen Priesterausbildung angesprochen werden. Die wollen ja nicht, dass die Pastoren stiften gehen, wenn sie ploetzlich irgendwelche Dinge erfahren, die ihren Glauben ins Wanken bringen koennten.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: die APOSTEL : zw. Keimzelle der Kirche und Randnotiz der Geschichte - von Ulan - 21-02-2014, 13:06

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  "Die Kirche hat immer behauptet, die Erde sei eine Kugel." (Ulan) Sinai 4 1093 24-08-2025, 19:51
Letzter Beitrag: petronius
  Katholische Kirche und Religionsfreiheit Sinai 0 444 23-08-2025, 03:09
Letzter Beitrag: Sinai
  Wie der Mitgliederschwund die Kirche verändert - katholisch.de Sinai 143 35111 06-08-2025, 09:24
Letzter Beitrag: Ulan

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste