01-11-2013, 15:37
(01-11-2013, 12:39)Bion schrieb:(01-11-2013, 01:35)paradox schrieb: Aber im Rahmen der Rechtsprechung heute können Menschen auch in unserer Rechtsordnung Dinge vereinbaren, die für die andere Vertragspartei nachteiliger ist. Das ist alles Privatautonomie. Ob du es jetzt Scharia oder Maria nennst....
Das ist ein unzulässiger Vergleich.
Ist Dir tatsächlich der Unterschied zwischen Rechtsgestaltung im Rahmen der Vertragsfreiheit und durch göttliche Weisung festgeschriebenes (und daher nach traditioneller Beurteilung unabänderliches) Recht nicht einsichtig?
Lieber Bion,
ich befasse mich selbst seit Jahren mit Rechtswissenschaften. Meine Intention ist nicht, beides gleichzusetzen, sondern dem populistischen Ansatz, dass die Scharia-Schiedsvereinbarungen od. islam. Recht bei uns allein nur zu Ungerechtigkeit und Benachteiligungen führt und insgesamt unser Rechtssystem unterlaufen würde, zu erwidern und die Angst vor dem Schrecken zu nehmen.
Die Scharia-Schiedsvereinbarungen, so wie ich sie verstanden habe, würde ich in die Nähe von gerichtlichen Vergleichen ansiedeln, die freiwillig eingegangen werden. Diese sind verbindlich, wenn beide Vertragsparteien damit einverstanden sind.
Darüber hinaus muss auch ein Schiedsgericht, die natürlichen Grundsätze unserer Rechtsordnung beachten, dh er kann nicht bspw gegen die guten Sitten verstoßende oder gegen die Grundrechte verstoßende Entscheidungen fällen.
Solch eine Schiedsvereinbarung wäre rechtswidrig und nicht verbindlich.
Darüber hinaus ist es in besonderen Fällen zwingend erforderlich, dass ein Richter eines ordenlichen Gerichts bspw bei einer Schiedsvereinbarung über eine Scheidung, diese Scheidung erst durch seinen Scheidungsbeschluss rechtswirksam wird. Es gibt also zwingende Mindeststandards, die auch in solch einem "Scharia-Schiedsgericht" eingehalten werden müssen.
Außerdem kann auch eine Schiedsvereinbarung wieder bekämpft werden, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen.
Natürlich kann man eine Schiedsvereinbarung deren Grundlagen aus spirituell religiösen Quellen kommen, nicht zu 100% mit der Privatautonomie im Rahmen des Zivilrechts vergleichen.
Warum ich das aber erwähnt habe, hat folgenden Grund:
Auch im Rahmen des Privatrechts werden zB einseitig Bedingungen aufgesetzt, und der andere Vertragspartner stimmt diesen zu, obwohl sie für ihn möglicherweise benachteiligend sind, ihm aber sonst keine andere Möglichkeit bleibt. Da hast du haufenweise AGBs. Auch diese AGBs müssen gewissen Mindestanforderungen genügen, aber sie können letzten Endes ebenfalls benachteiligend sein, und werden freiwillig eingegangen. Und das ist eben auch Rechtsgestaltung heutzutage in unserem Rechtssystem.
Oder nimm die einseitig vom Arbeitgeber ausrufbare Änderungskündigung.
Noch etwas. Selbst im Rahmen des Internationalen Privatrechts wird hierzulande ausländisches Recht in unseren Gerichten angewendet. Das betrifft das Familienrecht, Erbrecht, Zivilrecht und weitere Teile.
Ofner, Internationales Privatrecht.
Das bedeutet also die Anwendung von fremden, ausländischen Recht ist eben auch Teil unseres Rechtssystems und das ist nicht erst seit ein paar Jahren so, sondern schon ziemlich lange.
Es ist also ziemlich reißerisch, wenn man so tut, als ob Scharia-Recht bzw. islamische Recht die geltende Rechtsordnung überlaufen hätte und einzunehmen droht, obwohl gerade eben dieses fremde Recht bereits seit Jahrzehnten zum Teil auch vor den ordentlichen Gerichten praktiziert wird.
Was mich im Zusammenhang mit Scharia-Schiedsgerichten als Schiedsvereinbarungen interessieren würde, wäre, welche inhaltlichen Regelungen sie hat und ob diese zwingend sind, oder die Parteien im Rahmen dessen, auch anderes festlegen können? Da konnte ich leider nichts dazu finden.
Hier habe ich einen Zeitungsartikel gefunden, der über einen Fall berichtet, in der es um die Scheidung zweier Eheleute aus Saudi Arabien vor österreichischem Gericht geht, wo das Höchstgericht, die Anwendung des in Saudi Arabien gültigen islamischen Rechts nicht ausschließt und dies in seiner Begründung auch gut erklärt. Interessant sind auch die Lesermeinungen:
+http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/643301/Scharia-darf-in-Oesterreich-angewandt-werden
Da wird in den Kommentaren erwähnt, dass wenn die Scheidung nach japanischem Recht geschieden worden wäre, die Frau gar keinen Unterhalt bekäme. Da ich das japanische Recht nicht kenne, kann ich das nicht abschließend beurteilen.
with great power comes great responsibility
Entscheidungen machen uns zu denen, die wir sind. Und wir haben immer die Wahl, das Richtige zu tun.
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