(16-09-2013, 19:00)Sinai schrieb: Ob Hillel im Jahre 9 starb, oder wie andere meinen im Jahre 10, ist für die gegenständliche Frage unmaßgeblich.
Wird ein Sterbejahr genannt, ist 10 nC die häufigste Wahl. Darüber hinaus streuen sich die Angaben von 5 nC (H. Graetz) bis 60 nC (Talmud).
Vernünftig wäre es zu sagen: "Über Hillels Lebensdaten weiß man nichts Genaues."
Renommierte Judaisten vermeiden es, sich die Lebensdaten Hillels betreffend festzulegen, und begnügen sich damit:
Zitat:Unter Herodes, der selbst von einer babylonisch-jüdischen Familie
abzustammen vorgab, wurde ein Babylonier zum Hohenpriester in Jerusalem
bestellt. Auch Hillel, einer der Stammväter der rabbinischen Bewegung, kam
damals aus Babylonien nach Palästina, wo er zu einem der bedeutendsten
Lehrer wurde.
G. Stemberger, Der Talmud, 14
Sinai schrieb:Du hast darauf hingewiesen, daß der Gelehrtentitel "Rabbi" erst nach der Zeit Hillels in Gebrauch kam, da ist die Kenntnis des genauen Todeszeitpunkts Hillels wohl nicht wichtig.
Ja, Hillel habe ich genannt, weil die jüdisch-traditionelle Geschichtsschreibung Hillel den Gelehrtentitel gerne umhängt.
Nochmals: Rabbi als Gelehrtentitel kam frühestens nach 70 nC in Gebrauch.
Sinai schrieb:Man kann aber jedenfalls sagen, als Jesus seine Jünger um sich scharte, war Hillel schon einige Zeit tot. Jesus wirkte nach der Zeit Hillels.
Ja, kann man sagen, wenn man ihn nicht – wie der Talmud das tut – bis 60 nC leben lässt (was übrigens noch unsinniger ist als die anderen Festlegungen).
Hingegen kann man nicht sagen, dass Jesu den Gelehrtentitel Rabbi trug. Denn den gab es zu Jesu Zeiten noch nicht. Zu Jesu Zeiten war Rabbi, wie schon mehrmals erwähnt, lediglich eine höfliche Anrede.
Dazu G. Stemberger:
Zitat:Aus heutiger Sicht ist das Jahr 70 ein eindeutiger Wendepunkt in der
jüdischen Geschichte. War es jedoch auch für die Zeitgenossen ein solcher
Schnitt, der klar die Zeit des Tempels und der Pharisäer von der Zeit nach
70 ohne Tempel und mit den Rabbinen trennte? Die Einführung des Titels
Rabbi (zu unterscheiden von der Anrede Rabbi im Sinn "mein Herr, mein
Meister") deutet auf ein solches Bewusstsein einer neuen Zeit hin.
G. Stemberger: Einleitung in Talmud und Midrasch, 14
MfG B.