01-12-2012, 13:11
(01-12-2012, 04:31)Glaurung40 schrieb: Die Bergpredigt ist auch nicht das non-plus-ultra.
Stimmt. Wenn man sie wörtlich nehmen und zum Beispiel einem Kind, das in der Schule von anderen schikaniert wird, raten würde, die andere Wange hinzuhalten, würde das nur dazu führen, dass die Situation des Kindes noch viel schlimmer würde. Wer in solcher Hinsicht auf die Bergpredigt hört, hilft niemandem, sondern schadet nur sich selbst. Liegt vielleicht daran, dass es damals (zumindest in Israel) noch keine Schulen gab, in denen schwache Kinder bösartigen Mitschülern tagtäglich ausgeliefert wurden.
Andere Aspekte der Bergpredigt, wie nicht zu richten oder demjenigen, der sich entschuldigt, zu vergeben, sind aber trotzdem nicht verkehrt. ;)
(01-12-2012, 04:31)Glaurung40 schrieb: Jesus spricht explizit davon, dass er das Gesetz der Propheten nicht aufheben will (Matthäus 5 Vers 17) somit gelten nach wie vor für ihn noch die 10 Gebote.
Ja und nein. Zwar sagt er das. Aber er scheint diese Gebote doch sehr in eine humanere Richtung hin umzuinterpretieren, wie man z.B. an der Rettung der Ehebrecherin sieht, wo er dafür sorgte, dass das Gesetz nicht verstreckt werden konnte, weil niemand die von ihm aufgestellte Voraussetzung (selbst ohne Sünde zu sein) erfüllen konnte. Derart drastische Gesetze sollten also wohl nur noch auf dem Papyrus, sozusagen als Mahnung im Hintergrund (in diesem Fall der Mahnung, dass Ehebruch für Gott eine schwere Sünde ist), stehen, aber nicht real ausgeführt werden. Analog sollte man ja auch keinen Dieb verfolgen – ich vermute mal als Grund, um diesen vor der Justiz zu bewahren.
Den Sabbat dagegen bricht Jesus sogar selbst und zwar ausdrücklich, um die Priester zu provozieren, und mit der Erklärung, dass der Sabbat für den Menschen da sei und nicht etwa umgekehrt. Damit haben wir gleich drei Gebote, die Jesus zwar nicht für nichtig erklärt, die er aber trotzdem sehr unkonventionell betrachtet.
(01-12-2012, 04:31)Glaurung40 schrieb: Eines der 10 Gebote ist ganz klar gegen Religionsfreiheit, sicher nichts was wir heute in unserem Land haben wollen. Wobei Jesus auch kein Vorbild an religöser Toleranz war.
Wieder ja und nein. Du darfst nicht vergessen, dass er seine Predigten (zumindest ursprünglich) nicht für die ganze Menschheit, sondern für seine Volks- und Glaubensgenossen hielt. Und für sie alle (für seine Zuhörer und ihn selbst) war es selbstverständlich, dass man bei dem Ein-Gott-Glauben blieb und nicht etwa die Religion wechselte, auch wenn das in großen Teilen des Römischen Reichs vielleicht so üblich war.
Andererseits sagt er auch (Matth., 8,11), dass auch andere Völker ins Paradies kommen werden. Damit können nur Angehöriger anderer Religionen gemeint sein.
Den Aufruf zur Missionierung anderer Völker lasse ich mal weg, denn den halte ich für eine spätere Erfindung.
(01-12-2012, 04:31)Glaurung40 schrieb: Das sind alles Errungenschaften der Aufklärung.
Schon. Aber immerhin ist die Aufklärung in einer durch und durch christlichen Region entstanden. Obwohl ich zugebe, dass die alten Griechen 400 Jahre vor Jesus vielleicht in manchen gesellschaftlichen Fragen schon weiter waren als die aufgeklärten Mitteleuropäer des 18. Jhdt.

