23-03-2012, 11:42
(10-03-2012, 00:11)Bion schrieb: Alle Welt glaubt noch immer an die Schriftstellerei des "heiligen Geistes" oder steht unter der Nachwirkung dieses Glaubens: wenn man die Bibel aufmacht, so geschieht es, um sich zu "erbauen", um in seiner eigenen, persönlichen großen oder kleinen Not einen Fingerzeig des Trostes zu finden, – kurz, man liest sich hinein und sich heraus. Dass in ihr auch die Geschichte einer der ehrgeizigsten und aufdringlichsten Seelen und eines ebenso abergläubischen als verschlagenen Kopfes beschrieben steht, die Geschichte des Apostels Paulus, – wer weiß das, einige Gelehrte abgerechnet? Ohne diese merkwürdige Geschichte aber, ohne die Verwirrungen und Stürme eines solchen Kopfes, einer solchen Seele, gäbe es keine Christenheit; kaum würden wir von einer kleinen jüdischen Sekte erfahren haben, deren Meister am Kreuze starb.Wenn es darum geht, ob die Menschheit ohne Paulus heute von Jesus wüsste: dazu kann mensch geteilter Meinung sein. Immerhin hat es zu seiner Zeit auch Gemeinden in Rom und Alexandria gegeben, obwohl Paulus (noch) nie da war. Aber so wichtig finde ich den Punkt nicht. "Christen" wurde die Jünger Jesu zuerst dort genannt, wo sie sich systematisch an Nichtjuden wandten - und das hatte mit Paulus offensichtlich nichts zu tun, der kam dazu, nachdem das passiert war.
(Nietzsche, Morgenröte, Der erste Christ)
Ich teile Nietzsches Sicht! Was ist eure Meinung dazu?
Die Beschreibung der Persönlichkeit von Paulus sagt mehr über Nietzsche aus als über Paulus.
Relativismus: "du hast deine Wahrheit, ich habe meine, beide sind richtig"
Toleranz: "was du sagst ist falsch, aber du hast das Recht, es zu sagen"
Toleranz: "was du sagst ist falsch, aber du hast das Recht, es zu sagen"

