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Pescher
#1
Pescher (pl. Pescharim, aram. Deutung, Bedeutung, Auslegung). Textgattung. Im Pescher werden Historie und Prophetie mit Auslegung vermengt.

Häufig ist diese Gattung unter den exegetischen Texten von ↗Qumran vorzufinden (Stökl Ben Ezra 235). Von göttlich erleuchteten Lehrern (↗Lehrer der Gerechtigkeit) wurden prophetische Texte auf die damalige Gegenwart und die nahe Zukunft bezogen endzeitlich gedeutet (Langer 100). Die ↗Propheten, nahm man an, hatten die ihnen zuteilgewordenen göttlichen Offenbarungen nicht verstanden. Die beschriebenen Personen, Personengruppen, Völker, Ereignisse, etc. seien Chiffren für Dinge, die in der als ↗Endzeit verstandenen Gegenwart stattfinden (Stemberger 48). Es war daher nötig gewesen, Prophetentexte ihrer tatsächlichen Bedeutung nach zu würdigen und zu kommentieren.

Ein wesentliches Merkmal der Pescher-Texte aus Qumran ist, dass sie jeweils mit pescher ha-davar ("Auslegung der Sache") bzw. mit pischro ("Seine Auslegung ist…") eingeleitet werden.

Der Pescher beansprucht, eine göttliche inspirierte Textauslegung und damit nicht hinterfragbar zu sein. Damit unterscheidet er sich vom ↗Midrasch, der mehrere, voneinander abweichende Interpretationen als gleichwertig mögliche Sichtweisen anbietet.

Möglicherweise hat der Pescher in der ↗altorientalischen Traumdeutung seinen Ursprung.

In der ↗Bibel ist Pescher-Auslegung beispielsweise in Dan 9 (wo Jer 25,11 u. 29,10 erläutert wird) vorzufinden. Da die 70 Jahre, nach denen die Endzeit hätte eintreten sollen, schon eine Weile verstrichen waren, musste der prophetische Text neu erklärt werden.

Pescher-Exegesen sind auch unter frühen ↗karäischen Texten vorzufinden (Szyszman 38).


Literatur:
Simon Szyszman. Das Karäertum. 1983 Wien. Karolinger Verlag.
Günter Stemberger. Einführung in die Judaistik. 2002 München. Verlag C. H. Beck.
Daniel Stökl Ben Ezra. Qumran. 2016 Tübingen. Verlag Mohr Siebeck.
Gerhard Langer. Midrasch. 2016 Tübingen. Verlag Mohr Siebeck.



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MfG B.
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