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Einheit vs. Offenheit
#1
Von einem Freund bin ich zu dem hier vorgestellten Buch 'Mystik - der wahre Weg zu Gott?' gefragt worden, was denn der Vertreter der Buddhistischen Akademie (ebenfalls ein alter Freund) zu P. Willigis Jäger zu sagen hatte. Ich habe das kurz zusammengefasst, und dann ist mir aufgefallen dass dieses Thema wohl auch hier 'reinpassen würde - da es (neben dem Christentum) Buddhismus und Hinduismus betrifft, stelle ich den Text in keines der Unterforen...

Zitat:Franz-Johannes schreibt einen kurzen aber schwergewichtigen Beitrag - er anerkennt prinzipiell Willigis' Zielsetzung, ist aber der Meinung dass sie im Widerspruch zum Buddhismus steht. So schreibt er

"Seine [Willigis'] Kernbotschaft lautet: … Zen übersteigt den Buddhismus, wie die christliche Mystik jede christliche Konfession übersteigt. Die Einheit von beidem liegt auf der transrationalen Ebene.

Jäger … geht es nur um eine Erfahrung: die höchste Einheitserfahrung. Spätestens hier kehrt er sich vom traditionellen Zen und Buddhismus völlig ab. Dem Buddha ging es nicht um Einheit, sondern um Freiheit oder Offenheit, im Sanskrit sunyata, 'Leerheit', genannt. Bodhidharma, der berühmte Gründer des Zen, nannte es 'Große Weite'.
Einheit dagegen ist das Ziel der brahmanischen Upanishaden, von dem sich der Buddha abwandte. Offenheit ist etwas gänzlich anderes als Einheit. Einheit schließt das Identische ein und das Nichtidentische, die Vielheit, aus. Der monotheistische Gott steht den vielen Göttern (dem Polytheismus) entgegen. Die Offenheit schließt nichts ein und nichts aus, sie gibt allem Raum, lässt alles zu.
In seiner Zielsetzung ist Willigis Jäger somit - philosophisch gesehen - streng platonisch-monistisch. Letztlich kann man sie sogar hinduistisch nennen, denn ebendort (im Advaita-Vedanta) zielt alle Mystik auf die Erfahrung der vollkommenen Einheit mit dem absolut Einen. Das ist nicht das Ziel des Buddha. Darum sind hinduistische oder christliche Mystik und buddhistischer Zen oder Vipassana nicht das Gleiche. Jeder dieser Wege hat seine Eigenheit und führt zu besonderen Erfahrungen. Sie führen nicht zu einem Einen, auch wenn sie alle transrational sind.

Auf diese Weise konstruiert er eine Art ideelle Kern-, Über- oder Metareligion. Eine solche Sicht ist ebenfalls traditionell hinduistisch und heute zur Mainstream-Haltung der eklektizistischen, also wahllos auswählenden New-Age-Esoterik geworden."

Eine interessante Sichtweise, über die man noch weiterdiskutieren könnte... Icon_smile
() qilin
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#2
Hallo qillin,

Für mich stellt sich da die Frage, ob Einheit und Offenheit tatsächlich so gegensätzlich sind, das sie sich nicht "unter einen Hut bringen lassen"...?
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#3
Auch Offenheit führt zur Einheit. Die Einheit besteht immer und braucht die Offenheit, sowie die Einheit zur Offenheit führt.
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#4
Hm - ich bin da nicht ganz Eins mit mir :icon_wink:

Einerseits ist der Gedanke von Advaita bestechend; andererseits - wenn Alles Eins ist;
Gut und Böse, Richtig und Unrichtig, Himmel und Hölle - wohin müsste es denn dann
noch offen sein :question: Es ist doch p.def. Alles in dem Einen enthalten... Eusa_think
() qilin
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#5
Lieber qillin,

Was ist Dunkelheit -das Fehlen von Licht oder ein eigenständiger Zustand?
Was ist Kälte - das Fehlen von Wärme oder ein eigenständiger Zustand?
Was ist Hass - das Fehlen von Liebe oder ein eigenständiger Zustand?

Begründet sich die augenscheinliche Dualität nicht eher in der Mangelerscheinung der Einheit?Wave
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#6
Die ersten beiden sind physikalische Tatsachen. Dunkelheit ist das Fehlen von Licht, Kälte das Fehlen von Wärme also Energie. Hass ist eine emotionale Sache, die da nicht reinpasst.
Möglicherweise kann man menschliche Emotionen als Kreis betrachten, den man nicht nur zur Hälfte erleben kann und die somit zwangsweise als Einheit auftreten muss, aber das ist Spekulation.
Gruß
Motte

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#7
(22-12-2010, 11:01)t.logemann schrieb: Begründet sich die augenscheinliche Dualität nicht eher in der Mangelerscheinung der Einheit?Wave

Für mich ist diese Aussage im Moment reine Begriffsspielerei.

Ich kann die obige Unterscheidung zwischen "Einheit" und "Offenheit" sehr gut nachvollziehen, sobald sie nicht nur Begrifsspielerei ist, sondern konkrete Folgen für das Verhalten hat.

Wer lernen will, nur die "Einheit" in allem zu erkennen, könnte dazu neigen, das Einzelne zu verachten, es gar in sich auszuschalten.


Eines allerdings verstehe ich nicht ->

(21-12-2010, 11:29)qilin schrieb: In seiner Zielsetzung ist Willigis Jäger somit - philosophisch gesehen - streng platonisch-monistisch


Inwiefern soll das Platonische monistisch sein? Es ist doch ganz im Gegenteil dualistisch, hat den Dualismus des abendländischen Denkens geradezu begründet.

Das sieht man auch an diesem Satz ->

(21-12-2010, 11:29)qilin schrieb: Einheit schließt das Identische ein und das Nichtidentische, die Vielheit, aus.

Einheit und Vielheit sind hier einander entgegengesetzt, also liegt hier Dualismus pur vor.

Dieser Satz hingegen ->

(21-12-2010, 11:29)qilin schrieb: Die Offenheit schließt nichts ein und nichts aus, sie gibt allem Raum, lässt alles zu.

verzichtet auf dualistische Gegensätze, wenn ich das richtig sehe.


Ersterer - also der, der nach Einheit sucht -, ist immer im Kampf. Im Kampf gegen das Viele, gegen das, was er als Illusion bezeichnet. Er muss immer etwas "abtöten".

Allerdings beziehe ich mich bezüglich Buddhismus nur auf das, was oben geschrieben wurde. Ob das so stimmt, ist eine andere Sache. Ich habe Buddhisten kennengelernt, die ebenfalls im Kampf sind, und auch im Kampf gegen die Illusion. Sie wollen eigentlich überhaupt nichts mehr als existent zulassen. Alles und jedes soll als Illusion erkannt werden.
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#8
Es stellt sich die Frage ob "Einheit" die Vielfältigkeit grundsätzlich ausschliesst?
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#9
Das ist eine rein Definitionsfrage von Begriffen.

Ich kann die Begriffe so definieren, dass sie quasi synonym sind, ich kann sie so definieren, dass sie einander ausschließen, ich kann sie so definieren, dass sie miteinander vereinbar sind.

Geht es um Wahnehmung und Erfahrung, so kann man je nach ideolgoischem Überbau sich so trimmen, dass man nur noch Einheit wahrnimmt, oder man kann sich so trimmen, dass man überall das Offene sieht, oder man kann sich so trimmen, dass man hinter dem Offenen das Einheitliche und hinter dem Einheitlichen das Offene wahrnimmt.

Also eine Frage der Selbsterziehung.
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#10
(22-12-2010, 11:01)t.logemann schrieb: Was ist Hass - das Fehlen von Liebe oder ein eigenständiger Zustand?

Begründet sich die augenscheinliche Dualität nicht eher in der Mangelerscheinung der Einheit?Wave

Falls es so wäre, würde das doch bedeuten, dass Offenheit nicht sein kann wo Einheit ist - sie sich also nicht 'unter einen Hut bringen lassen', wie Du meintest Eusa_think

Vielleicht hilft da Dein Beispiel weiter - Hass ist doch nicht das Fehlen von Liebe, die beiden liegen sehr oft eng beieinander; das Gegenteil beider scheint mir eher Gleichgültigkeit zu sein. Ebenso könnte man das Gegenteil von Einheit und Offenheit etwa Abschottung nennen (ohne eine von beiden so negativ zu sehen wie 'Hass'...) :question:
() qilin
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#11
(22-12-2010, 11:36)Karla schrieb: Wer lernen will, nur die "Einheit" in allem zu erkennen, könnte dazu neigen, das Einzelne zu verachten, es gar in sich auszuschalten.

Genau das war ein Hauptvorwurf der Inquisition einem berühmten Monisten gegenüber - Giordano Bruno: "Er bestreitet, dass das individuell Seiende wahrhaft existiert - es existiere zwar, aber nichtig/eitel (vanitas)" - von ihm stammt der Satz "Alles was wirklich ist, ist nichts Anderes als 'die absolute, unendliche Einheit'" - mit dem o.a. Umkehrschluss...

Zitat:Inwiefern soll das Platonische monistisch sein? Es ist doch ganz im Gegenteil dualistisch, hat den Dualismus des abendländischen Denkens geradezu begründet.

Ich weiß nicht wie weit Franz-Johannes mit der griechischen Philosophie vertraut ist;
zweifellos versteht er aber sehr viel von der buddhistischen -

Zitat:Allerdings beziehe ich mich bezüglich Buddhismus nur auf das, was oben geschrieben wurde. Ob das so stimmt, ist eine andere Sache. Ich habe Buddhisten kennengelernt, die ebenfalls im Kampf sind, und auch im Kampf gegen die Illusion. Sie wollen eigentlich überhaupt nichts mehr als existent zulassen. Alles und jedes soll als Illusion erkannt werden.

Ich muss zugeben, dass mir der Gedanke in dieser Schärfe auch neu war. Der angestrengte Kampf gegen Illusion, das 'nichts mehr als existent zulassen' scheint mir aber doch auch eher eine neue 'Verhaftung an Vorstellungen' zu sein Icon_smile
() qilin
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