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Alter, Sterben, Tod - wie kann man das lernen?
Hallo Einsiedler!

Da hast du es doch vor mehr Familie geheimhalten können, als ich gedacht hätte. Aber ja, das Verheimlichen aus größtenteils einfach Selbstschutz kann ich gut nachvollziehen. Auf gewisse Weise ist man in so einer Lage eh allein, denn durch muss man da selbst, und den Gedanken, dass einen jeder "Mitwisser" nur noch je nach Situation besorgt und / oder angeekelt anschauen könnte oder einen mit gutgemeinten Ratschlägen bombardiert, kann man zusätzlich nicht auch noch brauchen.

Als Kind zu versuchen, sich den Tod vorzustellen und Fragen zu stellen und, wenn man es nicht zu packen bekommt, vielleicht auch leicht "besessen" immer wieder, kommt mir jetzt gar nicht so ungewöhnlich vor - aber dass das für viele Erwachsene nicht gerade angenehm ist, den Eindruck habe ich auch. Und vielleicht verstärken sie damit ungewollt das Interesse für das Thema, eben weil Kinder merken, dass da etwas von ihnen ferngehalten werden soll.
War das denn was, womit du dich so früh auseinandersetzen musstest, weil es Todesfälle in deinem Umfeld gab, oder einfach aus kindlicher Neugier?

liebe Grüße,
Melmoth

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Was ich gerne mal in die Runde fragen möchte:

Hat euch die Konfrontation mit dem Tod und der Angst vor dem Tod langfristig verändert?
Zum "guten", zum "schlechten" eurer Meinung nach? Beides? Gar nichts?
Habt ihr was draus "gelernt"? Oder im Gegenteil sogar was "verlernt"?
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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(28-07-2010, 12:28)Der-Einsiedler schrieb: ..., und zweitens habe ich das Problem ja nicht gelöst, sonst würde ich es ja hier nicht diskutieren und diskutieren wollen!
Ich weiß ja nicht, wieweit du dir eine Glockenfunktion in vier Raumzeitdimensionen vorstellen kannst. Ich würd's ja gerne skizzieren ...
Also: Unser bewusstes Wahrnehmen ist eine unglaublich hohe Informationsdichtefunktion, die in der Mitte (da, wo wir gerade sind) ein wahnsinnig hohes aber schmales Maximum umfasst und zu den Rändern hin abfällt und schließlich in einem allgemeinen Hintergrund ausläuft, aber nie Null wird. M. a. W. Wir sind quantitativ aus diesem Hintergrund heraus gehoben, aber nicht qualitativ.
Im Tod geht nur diese Quantität weg, das Allgemeine Prinzip bleibt ein Ozean mit allem, was sich Information nennen lässt, und in dem wir niemals verloren gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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Hallo, Melmoth,

ich denke, dass Kinder ein durchaus "normales" Verhältnis zu Sterben und Tod entwickeln können. Heute ist so etwas ja schon Thema in Kindergärten. Als ich Kind war, war das ein grosses Tabu. Meine Eltern waren Kriegsgeneration, ebenso die Grosseltern, die Bombardierung, das Soldatensein und -sterben, all das hat sie beeinflusst und das haben sie sicherlich "irgendwie" auch den Kindern weiter gegeben. Meine sehr geliebte Grossmutter starb, als ich 4 war, mein Grossvater starb, als ich 5 war. Inwieweit mich das beeinflusst hat, weiss ich nicht, aber ich glaube schon, zumal meine Grossmutter sehr sehr schwer gestorben ist (sie war ja auch erst 55). Hinzu kam, dass meine beiden Schwestern (allerdings vor meiner Geburt) gestorben waren, und als ich 14 war, starb mein Bruder. Ich denke, das alles spielt mit hinein in das, was ich heute angesichts Sterben und Tod empfinde. Und eine sehr früh vorhandene kindliche Neugier für alles "Nichtalltägliche" spielt da sicherlich auch noch eine Rolle...

Zitat:Hat euch die Konfrontation mit dem Tod und der Angst vor dem Tod langfristig verändert?
Zum "guten", zum "schlechten" eurer Meinung nach? Beides? Gar nichts?
Habt ihr was draus "gelernt"? Oder im Gegenteil sogar was "verlernt"?

Schwierig zu beantwortende Fragen... Ich weiss ja nicht, wie ich geworden wäre, wenn meine Grosseltern und Geschwister (alle!) nicht so früh gestorben wären...

Danke für Deine Gedanken & einen lieben Gruss

DE
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Zur beantwortung deiner Fragen:
Ich habe glernt, im hier und jetzt zu leben, den Augenblick auszukosten,..ich habe gelernt, meinem Leben "gleichgültig" im sinne von "nicht dran klammern" gegenüberzustehen,..der Tod ist nur der große Bruder des Schlafes, und ich denke jeden Tag an ihn, daß nimmt ihm den Schrecken,..vielleicht habe ich auch in gewisem Sinne Mitleid verlernt,..wenn 1000de Menschen durch Katastrophen sterben, so berührt es mich nicht, eben weil ich es als natürlich empfinde, daß Menschen sterben, ungeachtet des Alters oder der Situation,..
Aut viam inveniam aut faciam
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(10-08-2010, 13:31)d.n. schrieb: vielleicht habe ich auch in gewisem Sinne Mitleid verlernt

So kommst Du hier ganz und gar nicht rüber...

Lieben Gruss

DE
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(09-08-2010, 14:34)Ekkard schrieb:
(28-07-2010, 12:28)Der-Einsiedler schrieb: ..., und zweitens habe ich das Problem ja nicht gelöst, sonst würde ich es ja hier nicht diskutieren und diskutieren wollen!

Ich weiß ja nicht, wieweit du dir eine Glockenfunktion in vier Raumzeitdimensionen vorstellen kannst. Ich würd's ja gerne skizzieren ...
Also: Unser bewusstes Wahrnehmen ist eine unglaublich hohe Informationsdichtefunktion, die in der Mitte (da, wo wir gerade sind) ein wahnsinnig hohes aber schmales Maximum umfasst und zu den Rändern hin abfällt und schließlich in einem allgemeinen Hintergrund ausläuft, aber nie Null wird. M. a. W. Wir sind quantitativ aus diesem Hintergrund heraus gehoben, aber nicht qualitativ.
Im Tod geht nur diese Quantität weg, das Allgemeine Prinzip bleibt ein Ozean mit allem, was sich Information nennen lässt, und in dem wir niemals verloren gehen.

Was Du hier formulierst, Eckard, klingt zwar theoretisch, aber es entspricht einem Grundgefühl von mir. Mich tröstet ungemein, dass mein ganzes langes Leben "überall verstreut ist". Also in anderen Menschen. Solange es also noch Menschen auf der Erde gibt, sterbe ich auch nicht. Genauso wie ich selber über große Teile ein Produkt der Gedanken und Ansichten anderer bin, genauso sind meine Gedanken und Ansichten Produkte, die nun in anderen enthalten sind.
Mein Leben war - im Positiven wie im Negativen - quasi nicht "umsonst". Es hat seine Spuren gesetzt, und das wirkt weiter.


@ Einsiedler
Wenn ich mein eigenes Wirken - aus erlernter sogenannter "Selbstlosigkeit" heraus - nicht würdigen kann, kann ich das Gefühl bekommen, dass ich sang- und klanglos verduften werde, und das kann Panik auslösen. Ich habe meine Ruhe desbezüglich so gefunden, dass ich 'spürte'. wahrnahm - nicht intellektuell erkannte -, dass ein ständiger Austausch zwischen uns Menschen stattfindet, dass wir ständig von anderen nehmen und ständig geben. Das geschieht praktisch jede Minute. Ich bin dadurch ständig mit allen verbunden. Und das geht nicht weg, wenn ich selber nicht mehr 'produziere'. Das bis dato Produzierte muss reichen. Ich hatte meine Zeit.

Mich tröstet auch, dass überhaupt noch nach mir Menschen vorhanden sind, die dafür sorgen werden, dass keine mentale Diktatur entstehen wird. Für die Überwindung meiner Sterbensangst ist der 'Glaube' daran, dass die Menschen durch wachsende Möglichkeit, sich mental zu manipulieren - Stichwort Neurowissenschaft - dennoch Widerstand leisten werden, von erheblicher Bedeutung.
Das entspricht vielleicht dem, das Du als 'geordnete Hinterlassenschaft' bezeichnet hast.
Wenn dieses Urvertrauen nicht entstanden wäre, dass die Menschheit das alles packen wird, dann ginge es mir dreckig.
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Liebe Karla,

Spontanantwort: Du glaubst kaum, wie sehr es mich freut, dass Du wieder hier bist!!! Sei herzlich willkommen. Inhaltlich antworte ich, wenn ich von meinem Spaziergang zurück bin...

Lieben Gruss!

DE
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(12-08-2010, 10:32)Karla schrieb: Mich tröstet ungemein, dass mein ganzes langes Leben "überall verstreut ist". Also in anderen Menschen. Solange es also noch Menschen auf der Erde gibt, sterbe ich auch nicht. Genauso wie ich selber über große Teile ein Produkt der Gedanken und Ansichten anderer bin, genauso sind meine Gedanken und Ansichten Produkte, die nun in anderen enthalten sind.
Sind wir vielleicht weit weniger individuell als wir gemeinhin glauben? Individualität halte ich wirklich für einen Glauben, der sich m. E. aus der eigenen Ich-Tradition entwickelt. Du hast Recht, dieser Glaube basiert auf einem Urvertrauten zunächst den Eltern, später den Vielen gegenüber, mit denen man im Laufe des Lebens zu tun hat - Stichwort: Schwarmintelligenz?

Ich gehe allerdings noch ein paar Schritte weiter auf diesem Weg. Auch die dinglichen Informationen (chemische, physikalische, biologische) setzen ihren Weg durch den Kosmos fort. Durch unsere Individualität schaut sich die Geisteswelt (ein gewaltiger Informationsstrom) beim Entwickeln selbst zu wie durch einen Hohlspiegel. In der Mitte unser Bewusstsein in unserem Normaltempo, zu den Rändern hin zeitlich und räumlich gerafft. Der Blick reicht insbesonder im Tod bis ins Unendliche (bei der Geburt in die andere Richtung).

Mir ist dies erstmals aufgegangen beim Lesen eines Artikels über Ökosysteme insbesondere eines Sees (Limnologie). Ein See gibt zahllose Signale an die Umwelt ab, lockt damit Tiere und Pflanzen an, die schließlich eine eng vernetztes System bilden - nicht unähnlich unserem Gehirn, nicht so flink vielleicht aber ständig im (biochemischen und physikalischen) "Gespräch" mit seinen Partnern bis hin zu Kämpfen.

Soviel zur Anregung. Ich will hier niemanden "erschlagen".
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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Liebe Karla,

(12-08-2010, 10:32)Karla schrieb: Solange es also noch Menschen auf der Erde gibt, sterbe ich auch nicht. Genauso wie ich selber über große Teile ein Produkt der Gedanken und Ansichten anderer bin, genauso sind meine Gedanken und Ansichten Produkte, die nun in anderen enthalten sind.

Ich denke aber, irgendwann "läuft das aus". Irgendwann wird sich niemand mehr an uns und unsere Gedanken erinnern, und dann sind wir "tot".

Nein, umsonst war mein Leben auch nicht, aber letztendlich haben die anderen etwas von dieser Tatsache, man selbst nicht.

Zitat:Wenn ich mein eigenes Wirken - aus erlernter sogenannter "Selbstlosigkeit" heraus - nicht würdigen kann, kann ich das Gefühl bekommen, dass ich sang- und klanglos verduften werde, und das kann Panik auslösen. Ich habe meine Ruhe desbezüglich so gefunden, dass ich 'spürte'. wahrnahm - nicht intellektuell erkannte -, dass ein ständiger Austausch zwischen uns Menschen stattfindet, dass wir ständig von anderen nehmen und ständig geben. Das geschieht praktisch jede Minute. Ich bin dadurch ständig mit allen verbunden.

Bis hierhin ein schöner und Mut machender Text.

Zitat:Und das geht nicht weg, wenn ich selber nicht mehr 'produziere'. Das bis dato Produzierte muss reichen. Ich hatte meine Zeit.

Richtig. Aber dennoch verschwindet es irgendwann. Die Zeit deckt alles zu. Von meinem Ururgrossvater weiss ich z.B. nichts. Und soviel ich weiss, wissen meine noch lebenden Verwandten auch nichts mehr von ihm. Wo wirkt er nach? Wo bleibt etwas von ihm? Ausser, dass seine Sippe noch lebt. Reicht das? Hat IHM das gereicht (sofern er darüber nachgedacht hat; ich weiss es nicht)...

Zitat:Für die Überwindung meiner Sterbensangst ist der 'Glaube' daran, dass die Menschen durch wachsende Möglichkeit, sich mental zu manipulieren - Stichwort Neurowissenschaft - dennoch Widerstand leisten werden, von erheblicher Bedeutung.

Darüber muss ich noch nachdenken, ob mir das "reicht". Vielleicht bin ich auch zu "masslos" und das meine ich so, wie ich es sage, möchte das aber hier nicht weiter ausführen.

Zitat:Wenn dieses Urvertrauen nicht entstanden wäre, dass die Menschheit das alles packen wird, dann ginge es mir dreckig.

Ich frage mich gerade, ob ich dieses Urvertrauen habe...

Danke für die Anregungen

und einen lieben Gruss

DE
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Danke für den Willkommensgruß, Einsiedler.Icon_smile


(12-08-2010, 11:41)Der-Einsiedler schrieb:
(12-08-2010, 10:32)Karla schrieb: Solange es also noch Menschen auf der Erde gibt, sterbe ich auch nicht. Genauso wie ich selber über große Teile ein Produkt der Gedanken und Ansichten anderer bin, genauso sind meine Gedanken und Ansichten Produkte, die nun in anderen enthalten sind.

Ich denke aber, irgendwann "läuft das aus". Irgendwann wird sich niemand mehr an uns und unsere Gedanken erinnern, und dann sind wir "tot".

Ich meinte es anders. Was ich meinte, läuft niemals aus, solange Menschen bestehen. Ich meinte nicht die Erinnerung an mich und meine Person. ich meinte das faktum, dass meine Gedanken und Gefühle Folgen hatten und diese in Kettenreaktion weitere Gedanken und Gefühle produzieren werden. Man ist sozusagen nicht rückgängig zu machen.


(12-08-2010, 11:41)Der-Einsiedler schrieb: Nein, umsonst war mein Leben auch nicht, aber letztendlich haben die anderen etwas von dieser Tatsache, man selbst nicht.

Das ist zwar richtig, ist aber auch jetzt schon so. Du weißt auch jetzt nicht, auf wen Du in welcher Weise gewirkt hast, welche Art von Heil oder Unheil Du in anderen geschaffen hast. Man weiß nur, dass es so ist.


(12-08-2010, 11:41)Der-Einsiedler schrieb:
(12-08-2010, 10:32)Karla schrieb: Und das geht nicht weg, wenn ich selber nicht mehr 'produziere'. Das bis dato Produzierte muss reichen. Ich hatte meine Zeit.

Richtig. Aber dennoch verschwindet es irgendwann.

Es kann nicht schwinden.


(12-08-2010, 11:41)Der-Einsiedler schrieb: Die Zeit deckt alles zu. Von meinem Ururgrossvater weiss ich z.B. nichts. Und soviel ich weiss, wissen meine noch lebenden Verwandten auch nichts mehr von ihm. Wo wirkt er nach?

Er wirkt millionenfach nach. Es gibt doch nicht eine einzige Handlung ohne Folge.
Nimm ein hartes Beispiel: er hat jemanden totgefahren. Oder im Krieg getötet. Was für Folgen bei denen, die den Toten liebten. Ihr ganzes Leben hat sich geändert. Und das hat wieder Folgen. Die Ehefrau des Getöteten heiratete vielleicht ein zweites Mal, hat neue Kinder. Wär doch nicht gewesen, wenn der erste Mann nicht getötet worden wäre. Die Kinder würde es dann nicht geben. Weiter hat die Ehefrau vielleicht Depressionen bekommen wegen des getöteten ersten Mannes. Das wirkt sich auf ihre neuen Kinder aus. Und so weiter und so weiter. Im Nachhinein wäre Dein Urgroßvater aus dem Gewebe des Lebens nicht mehr herauszuoperieren. Alles nach ihm würde zusammenkrachen. wollte man ihn herausoperieren.
Und nimm ein weiches Beispiel. Jedes post wirkt auf jeden, der es liest, in irgendeiner Weise. Man macht sich Gedanken, erzählt diese Gedanken anderen - ohne sich noch an den Ursprung zu erinnern vielleicht. Und bei irgendwen können gerade diese Gedanken - wieder verändert durch andere - irgendwas Ungeheures auslösen.


(12-08-2010, 11:41)Der-Einsiedler schrieb: Hat IHM das gereicht (sofern er darüber nachgedacht hat; ich weiss es nicht)...

Ich wollte nur beschreiben, was mir reicht. Warum ich mich komplett verschweißt mit der Menschheit sehe und empfinde.
Für mich ist es nicht wichtig, ob ich nach meinem Tod davon weiß oder nicht. Ich bin, ehrlich gesagt, zu neugierig auf Fakten. Der Tod ist ja kein Wunschkonzert. Falls eine Form des Bewusstseins erhalten bleibt, dann ist es eben so. Wenn nicht, dann ist es eben anders. Aber es geht ja darum, dass ich jetzt klar komme mit der Tatsache, dass ich irgendwann nicht mehr bin. Und dazu helfen mir oben genannte Überlegungen.
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(12-08-2010, 11:31)Ekkard schrieb: Sind wir vielleicht weit weniger individuell als wir gemeinhin glauben?

Hängt von dem ab, was man unter "individuell" versteht.
Was nicht durch mein Ich-Bewusstsein geht, bleibt einem sozusagen wurscht.
Wenn ich jetzt plötzlich den Supergedanken bekomme, der nicht nur einen Wahnsinnsknoten löst, sondern auf den ich wahnsinnig stolz bin - und dann nach Jahren auf ein Buch aus meinem Bücherschrank stoße, indem genau dieser Supergedanke steht (ich hab ihn sogar noch rot unterstrichen, vor zwanzig Jahren) und also von einem anderen Autor stammt, fast wörtlich:
war das dann mein individueller Gedanke oder nicht, als er heute auftauchte?

Inzwischen würde ich sagen: ja. Ich hab ihn zwanzig Jahre mit mir geschleppt, und irgendwann löste er einen Knoten, den ich hatte. Ich habe ihn assimiliert und zu meinem gemacht. Mein Ichbewusstsein hat ihn assimliert.


(12-08-2010, 11:31)Ekkard schrieb: Stichwort: Schwarmintelligenz?

Was ich da eben bei Wikipedia darüber überflogen habe, passt ja wie die Faust aufs Auge zu dem, was ich vorhin an den Einsiedler schrieb. Da ist die eigene Aktivität und Kreativität, die da eingebracht wird und eben nicht verloren geht.


(12-08-2010, 11:31)Ekkard schrieb: Ich gehe allerdings noch ein paar Schritte weiter auf diesem Weg.

Ja, ich weiß. Eusa_angel


(12-08-2010, 11:31)Ekkard schrieb: Auch die dinglichen Informationen (chemische, physikalische, biologische) setzen ihren Weg durch den Kosmos fort. Durch unsere Individualität schaut sich die Geisteswelt (ein gewaltiger Informationsstrom) beim Entwickeln selbst zu wie durch einen Hohlspiegel. In der Mitte unser Bewusstsein in unserem Normaltempo, zu den Rändern hin zeitlich und räumlich gerafft. Der Blick reicht insbesonder im Tod bis ins Unendliche (bei der Geburt in die andere Richtung).

Letzten Satz verstehe ich nicht. Setzt Du voraus, dass im Tod das Bewusstsein erhalten bleibt?
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(12-08-2010, 11:31)Ekkard schrieb: Auch die dinglichen Informationen (chemische, physikalische, biologische) setzen ihren Weg durch den Kosmos fort. Durch unsere Individualität schaut sich die Geisteswelt (ein gewaltiger Informationsstrom) beim Entwickeln selbst zu wie durch einen Hohlspiegel. In der Mitte unser Bewusstsein in unserem Normaltempo, zu den Rändern hin zeitlich und räumlich gerafft. Der Blick reicht insbesonder im Tod bis ins Unendliche (bei der Geburt in die andere Richtung).
(12-08-2010, 20:11)Karla schrieb: Letzten Satz verstehe ich nicht. Setzt Du voraus, dass im Tod das Bewusstsein erhalten bleibt?
Gute Frage! Nein, das individuelle Bewusstsein endet. Aber, was bedeutet dies, wenn gewissermaßen die eigene Uhr stehen bleibt? Das Anlogon finden wir tatsächlich in der Kosmologie. Für Dinge, die in ein Schwarzes Loch fallen, verlangsamt sich die Zeit, bis sie beim Überschreiten des Ereignishorizontes buchstäblich stehen bleibt. In den Augenblicken unmittelbar davor können diese Dinge die weitere Entwicklung der Welt in Zeitraffer sehen (registrieren, aufzeichnen, bemerken).
In frühester Jugend lernen wir, was vor unserer Zeit war. Am Ende (für die Anderen) lernen wir die gesamte Zukunft. Dieser Ozean des Bewussten - außerhalb von uns Individuen - wird zusammen geschoben auf einen Punkt der zugleich die Ewigkeit umfasst.
Zeit ist schon ein merkwürdiges Gebilde ...
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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(12-08-2010, 21:15)Ekkard schrieb:
(12-08-2010, 20:11)Karla schrieb:
(12-08-2010, 11:31)Ekkard schrieb: Der Blick reicht insbesonder im Tod bis ins Unendliche (bei der Geburt in die andere Richtung).

Letzten Satz verstehe ich nicht. Setzt Du voraus, dass im Tod das Bewusstsein erhalten bleibt?

Gute Frage! Nein, das individuelle Bewusstsein endet. Aber, was bedeutet dies, wenn gewissermaßen die eigene Uhr stehen bleibt?

Ich hake schon mal an dieser Stelle ein. Was genau kann ich mir vorstellen unter 'individuellem Bewusstsein'?
Wenn ich mir das klarzumachen suche, komme ich zu dem Schluss, dass das eine Wortkombination ist, die sprachlich unpräzise ist.

Meint 'individuell' die Inhalte dessen, was einem bewusst ist? Aber das täuscht doch schon zu Lebenszeiten. Ich zähle doch zu meinem Bewusstseinsfond auch Dinge, die ich gar nicht selber fabriziert habe. Und vieles, was ich fabriziert habe, zähle ich nicht zu meinem Bewusstseinsfond, weil ich es erfolgreich verdrängt oder auch nur vergessen habe.

Die Wortkombination 'indviduelles Bewusstsein' meint doch wahrscheinlich gar nicht die konkreten Inhalte, sondern eher eine Fähigkeit. Oder nicht? Nicht wessen ich mir bewusst bin, scheint der springende Punkt, sondern die Fähigkeit, dass ich mir verschiedener Dinge bewusst werden kann. Was also meint dann das 'individuelle Bewusstsein', von dem Du sagst, dass es mit dem Tod schwindet?
Die Tatsache, dass man ein Individuum ist?
Aber auch das ist schon zu Lebzeiten wackelig. Was die Inhalte des Individuums X sind, kann sich ziemlich verändern im Laufe des Lebens. Was durchgehend bleibt: das Ichbewusstsein, das Selbstbewusstsein. Wie das zustande kiommt, haben auch die Gehirnforscher nicht herausgefunden. Man weiß nur, dass es da ist.

Man weiß also auch nicht, wo es gelagert ist. Ob es überhaupt 'in mir' gelagert ist, also in meinem Körper.
Klar, mein Gehirn - lokaliserbar in meinem Körper -, ist eine Plattform, auf der sich das Ich-Bewusstsein abbildet. Aber eben nur eine von milliarden solcher Plattformen. Aber ist das Ichbewusstsein in meinem Gehirn? Doch wohl eher nicht.
Das Ichbewusstsein an sich stirbt also nicht mit mir.

Ich weiß ja nicht, Ekkard, ob diese Schlussfolgerung mit Deinen Überlegungen kompatibel ist. Ich wollte nur möglichst nahe dran bleiben an der Frage nach der Todesangst. Angenommen, ich könnte entdecken, dass das Ichbewusstsein gar nicht in mir lokalisiert ist, sondern sich da höchstens abbildet. Dann bekäme diese ganze Frage eine andere Perspektive. Das Ichbewusstsein stürbe dann nicht mit meinem Gehirn. Genausowenig wie eine Softwäre verschwindet, wenn mein PC kaputt geht.


(12-08-2010, 21:15)Ekkard schrieb: Das Anlogon finden wir tatsächlich in der Kosmologie. Für Dinge, die in ein Schwarzes Loch fallen, verlangsamt sich die Zeit, bis sie beim Überschreiten des Ereignishorizontes buchstäblich stehen bleibt. In den Augenblicken unmittelbar davor können diese Dinge die weitere Entwicklung der Welt in Zeitraffer sehen (registrieren, aufzeichnen, bemerken).

Ich versuche mal, das in diesem Zitat von Dir Gesagte für mich griffig zu kriegen:
Du beschreibst offenbar die Situation, wo - im Sterbeprozess - 'die eigene Uhr stehenbleibt'. Du meintest also offenbar in Deinem ersten Zitat nicht den Tod, sondern den Moment des Sterbens? 'Die Welt in Zeitraffer sehen', darüber berichten ja viele, die bereits klinisch tot waren. Allerdings sehen sie nur ihr eigenes Leben im Zeitraffer, nicht die Welt allgemein.
Wer oder was also nimmt die Welt wahr in Deinem Konzept? Das ist mir noch nicht klar.
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Liebe Karla,

danke für Deine Gedanken. Ich denke, ich bin da "anders". Meine Sehnsucht oder besser Hoffnung war eigentlich immer, dass irgendwas Konkretes von mir übrigbleibt. Diese beinahe "hinduistischen" "Verwebungen ins Alles", von dem Du schreibst, hat mir da nie geholfen, nicht "beruhigt", nicht zufrieden gestellt.

Zitat:Ich meinte nicht die Erinnerung an mich und meine Person. ich meinte das faktum, dass meine Gedanken und Gefühle Folgen hatten und diese in Kettenreaktion weitere Gedanken und Gefühle produzieren werden. Man ist sozusagen nicht rückgängig zu machen.

Mit solcherart Gedanken würdest Du viel Freude in den buddhistischen Kreisen bereiten, in denen ich mal "zuhause" war. Was es war, das mich damals den buddhistischen Weg verlassen liess, weiss ich bis heute nicht genau, aber ich denke, es hatte auch was mit diesem "Faktum" zu tun.

Zitat:Ich wollte nur beschreiben, was mir reicht. Warum ich mich komplett verschweißt mit der Menschheit sehe und empfinde.
Für mich ist es nicht wichtig, ob ich nach meinem Tod davon weiß oder nicht.

Das ist beneidenswert. Und das meine ich tatsächlich so.

Lieben Gruss

DE
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(13-08-2010, 15:36)Der-Einsiedler schrieb: Liebe Karla,

danke für Deine Gedanken. Ich denke, ich bin da "anders". Meine Sehnsucht oder besser Hoffnung war eigentlich immer, dass irgendwas Konkretes von mir übrigbleibt. Diese beinahe "hinduistischen" "Verwebungen ins Alles", von dem Du schreibst, hat mir da nie geholfen, nicht "beruhigt", nicht zufrieden gestellt.

Zitat:Ich meinte nicht die Erinnerung an mich und meine Person. ich meinte das faktum, dass meine Gedanken und Gefühle Folgen hatten und diese in Kettenreaktion weitere Gedanken und Gefühle produzieren werden. Man ist sozusagen nicht rückgängig zu machen.

Mit solcherart Gedanken würdest Du viel Freude in den buddhistischen Kreisen bereiten,


O nein. Offenbar habe ich mich miserabel ausgedrückt. Ich knalle mit ihnen beinhart gegeneinander. Und auch hinduistisch sehe ich mich nicht, eher im Gegenteil dazu. Ich kann deren Gedanken inzwischen fast nicht mehr hören.
Für mich ist das A & O das Ichbewusstsein. Das wird sowohl von Hinduisten als auch Buddhisten abgelehnt. Da soll das Ich überwunden werden. Es sei Illusion.
Nichts davon ist meine Meinung. Ihre Ansichten stellen auch mich nicht zufrieden, da sie auf einer Ideologie beruhen. Für Ideologien kann sich keiner was kaufen. Sie helfen nicht beim Sterben. Aber dass das Ichbewusstsein sehr viel weiter ist als das, was man dafür im Moment hält, ist überprüfbar.
Das Einzige, was helfen kann, ist, meiner Meinung nach, das Erkennen, was das Ich ist. Was das Ichbewusstsein ist. Und das Ichbewusstsein schwindet nicht, auch nicht nach dem Tod. Da es ja jetzt schon nicht von mir oder dir stammt.


Noch eine Frage an Dich, Einsiedler: Du schreibst oben, Du möchstest, dass etwas 'Konkretes' von Dir übrigbleibt.
Meinst Du damit einen Roman oder Ähnliches, das übrig bleibt? Oder eine Art Berühmtheit wie bei Goethe?

Wenn Du das nicht meinst, so ist für mich der Punkt: dass ja eben jetzt schon so viel nicht von einem übrig ist. Was genau vermisse ich jetzt von dem Menschen, der ich vor dreißig Jahren war? Eigentlich gar nichts.
Wenn man den Wandel nicht akzeptiert, kann man vielleicht verrückt daran werden. Das ist mir auch so mal gegangen, macht mich manchmal auch jetzt noch verrückt. Aber nur dann, wenn ich mich an der Peripherie aufhalte. Gehe ich in den Kern der Dinge, betrifft mich der Wandel nicht mehr. 'Ich' wandelt sich nicht.
Aber vom inhaltlichen Denken muss man weg. Kein Inhalt hält auch nur eine Sekunde. Will man das Blatt, das vom Baum fallen will, da fest ankleben, dann hat man allerdings ein Problem.
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