Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Doktortitel
#1
Die nächste Politikerin, welche ihren Doktortitel wohl zurückgeben darf: Die Uni Düsseldorf kam zu der Ansicht, dass unsere Bildungsministerin "systematisch und vorsätzlich gedankliche Leistungen vorgetäuscht (hat), die sie nicht selbst erbracht(e)".
...http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsaffaere-uni-duesseldorf-entscheidet-ueber-schavan-a-881634.html

Sie reiht sich damit ein in eine, seit dem Fall Guttenberg doch beträchtlich gewachsene Kette von Politikern welche ihren Doktortitel nach umfassender Prüfung wieder abgeben dürfen.

Interessant ist, dass die meisten Politiker dieser Vorfälle aus den Reihen der FDP und CDU stammen:

FDP: Silvana Koch-Mehrin, Jorgo Chatzimarkakis, Bijan Djir-Sarai, Margarita Mathiopoulos

CDU/CSU: Karl-Theodor zu Guttenberg, Florian Graf, Annette Schavan

Woran mag das liegen?
Und vor allem: Wie kann es sein, dass derartige Arbeiten überhaupt erst als gültig anerkannt werden? Schlamperei des Doktorvaters? Unterschiedliche Ansprüche in der damaligen und der heutigen Zeit? Während der gemeine Student sich heute über Bachelor und Master zum Doktor raufarbeitet und den Titel dann in der Regel nach frühestens 7-8 Jahren hat, schloss Frau Schavan ihr Studium nach sechs Jahren direkt mit der Promotion ab. Andere Zeiten? Vieleicht.

Es ist ja nicht neu, dass der Doktor oftmals eher des Prestiges wegen angestrebt wird und eben nicht um damit die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten ausgerichtet auf eine spätere Forschungskarriere zum Ausdruck zu bringen.
Wer sich mal die Mühe macht die ein oder andere medizinische Promotion zu lesen wird schockiert darüber sein mit welch einfachen Mitteln man heute den Titel bekommen kann. Dies mag nicht für alle Mediziner gelten, jedoch für viele.
Doch nicht nur bei den Medizinern ist die Promotion eine seltsame Erscheinung. So ist es bei den Chemikern mittlerweile völlig normal, nach dem Studium noch zu promovieren, auch wenn man keine wissenschaftliche Karriere anstrebt. Die Chemiker dürften damit führend bei den Naturwissenschaftlern sein. Wie kann man das erklären? Ist das denn wirklich notwendig für eine spätere Berufsanstellung?


Ich halte also fest: Die Promotion ist eine seltsame Erscheinung. Mal schwer, mal eher weniger. Mal Druck, mal freie Entscheidung. Der eine schreibt sie, um neue Erkenntnisse zu sammeln, der andere um den Dr. auf dem Klingelschild zu haben. Bei dem einen ist sie lediglich eine bessere Seminararbeit, bei dem anderen eine intensive, mühsame Forschungsarbeit.

Schade, aber wahr: Der Titel muss über die Fähigkeiten des Trägers nicht viel aussagen.
Zitieren
#2
(05-02-2013, 22:59)Gundi schrieb: Die Promotion ist eine seltsame Erscheinung. Mal schwer, mal eher weniger. Mal Druck, mal freie Entscheidung. Der eine schreibt sie, um neue Erkenntnisse zu sammeln, der andere um den Dr. auf dem Klingelschild zu haben. Bei dem einen ist sie lediglich eine bessere Seminararbeit, bei dem anderen eine intensive, mühsame Forschungsarbeit.

Schade, aber wahr: Der Titel muss über die Fähigkeiten des Trägers nicht viel aussagen.

da stimme ich dir zu

bei uns hieß es, nur halb scherzhaft:

wer inskribiert und nicht krepiert, der promoviert

sprich: letztlich ist die promotion eine sache des sitzfleischs, nicht der herausragenden begabung. ich selber habe meinen doktor letztlich auch gemacht, weil ich eben die günstige gelegenheit hatte (industriedissertation als vertragsassistent am institut meiner diplomarbeit) und andererseits noch keine richtige lust, die uni zu verlassen. fachlich war sie für meine weitere berufslaufbahn eher unerheblich

schwierig ist natürlich die bewertung einer dissertation. in den naturwissenschaften meist einfach, wenn - wie von mir auch - eine hypothese durch versuche verifiziert wird. daß jemand versuchsergebnisse einfach erfindet oder woanders abschreibt, ist beliebig unwahrscheinlich, würde wohl auffallen. dann kann man noch über den wissenschaftlichen wert der auswertung streiten - aber abschreiben ist eigentlich nicht

wie aber bewertet man das in den, von naturwissenschaftlern gern scherzhaft so bezeichneten "laberfächern" der geistes- und sozialkwissenschaften? wissenschaftliche arbeit basiert da eher selten auf der empirie des versuchs, vielmehr geht es im wesentlichen um das zusammenfassen von bereits (von anderen) gedachtem, dieses in neue zusammenhänge zu stellen und neue erkenntnisse daraus zu gewinnen. das geht gar nicht ohne "abschreiben" im sinne von verwenden von material anderer autoren

dann stellt sich eher die frage der wissenschaftlichen originalität im schlüsse ziehen als bewertungskriterium, rein formal natürlich müssen zitate eindeutig sein, um nicht als genuiner ausdruck eigenen denkens zu erscheinen (z.b. copy&paste-texte)

letztere gabs natürlich zu schavans zeiten noch nicht (meine diss hab ich auf einem mainframe in die tasten gehauen, mit einer textsoftware, die gar nichts konnte, keiner mehr kennt und in der natürlich auch keine anderen texte verfügbar waren). insofern, auch wegen der heute völlig anderen zugänglichkeit anderer texte gestern und heute (vormittage in der uni-bibliothek, wo man nur unter mühe xerox-kopien einzelner seiten machen konnte, gegen ein paar klicks im net), werden sich wohl auch die gepflogenheiten wissenschaftlichen zitierens geändert haben

ich kanns nicht beurteilen

guttenberg seh ich etwas anders, aber auch da kenne ich natürlich nicht die einzelheiten und umstände
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Zitieren
#3
Kann ich deinen Nick dann bitte in Dr. Petronius ändern? :D :D

Mal Ernst, die Vorwürfe die man ihr nach Analyse ihrer Dr. Arbeit gemacht hat hießen ja nicht, dass sie falsch zitiert hat, sondern dass sie garnicht zitiert, sondern durch die ganze Arbeit hindurch wortgleiche Sätze aus anderen Arbeiten unkenntlich einkopiert hat und somit den Eindruck erweckt hat, dies seien ihre Gedanken.
Hätte man ihr nur falsches Zitieren vorgeworfen hätte ich wohl mehr Mitleid, aber hier geht es darum, Zitatvermerke komplett weggelassen zu haben und das ist schon ein anderes Ding... trotzdem halte ich sie für eine gute Politikerini, Doktortitel hin oder her.

Erstaunlich finde ich aber, dass einen sowas nach so langer Zeit immernoch einholen und ein ganzes Berufsleben zerstören kann. Das das ein Politikerding ist glaube ich aber nicht, andere Berufe werden wohl einfach nicht so fleißig auf solche Dinge geprüft, weils da nicht viel "zu holen" gibt.
Gruß
Motte

Zitieren
#4
ich hab jetzt nicht so im einzelnen verfolgt, was die uni düsseldorf an fr. schavans dissertation bemängelt. und will mir, wie gesagt, da kein urteil anmaßen bzw. dieses den zuständigen überlassen. für eine gute politikerin hab ich sie übrigens noch nie gehalten

zur "prüfung" bzw. "zerstörung des berufslebens" noch ein anekdotischer beitrag (ich weise ausdrücklich darauf hin, das "audiatur et altera pars" hier nicht beachtet zu haben)

eine freundin studiert literaturwissenschaft. noch bevor sie ihre magisterarbeit verteidigen ann, geht ihr prof an eine andere uni (und bietet ihr dort eine assistentenstelle, aus familiären gründen nimmt sie dies nicht an). prof ist nun an der alten uni so ein bißchen "persona non grata"

eine noch an der uni verbliebene akademische kollegin des ex-profs, in der magisterarbeit ausführlich zitiert (ihr werk bildet sozusagen die grundlage, auf der die magisterarbeit ihre eigene these aufbaut) fühlt sich inadäquat gewürdigt und spricht jetzt besagter magisterarbeit wegen einer zitierpraxis non lege artis die wissenschaftlichkeit ab - besagte freundin stünde dann nach jahrelangem studium ohne abschluß da

n.b.: der zweitprüfer (noch an der uni, die der prof bereits verlassen hat) hat natürlich auch keinen a*** in der hose und kritisiert jetzt genau das, was er vorher noch als gute arbeit gewürdigt hat. wie ja auch niemand nach der wissenschaftlichen qualifikation jener fragt, die weiland fr. schavans diss so gut beurteilt haben...

der langen rede kurzer sinn: mittlerweile hab ich halt schon auch den eindruck, daß dieser ganze dingsbums-plag-hype auch zu einem gutteil künstlich hochgejazzt und zum waschen schmutziger wäsche in der waschküche akademischer eifersüchteleien benutzt wird. konkrete einzelfälle natürlich immer ausgenommen...
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Zitieren
#5
Warum zweierlei Maß anlegen, Doktortitel zu Unrecht erworben, Doktortitel weg
wenns rauskommt.
Was sie fachlich geleistet mag da noch so gut sein
Gibt ja auch immer mal falsche Ärzte die jahrelang gute Arbeit geleistet
haben mit erschlichenen Doktortiteln.
Glaub nicht, dass die noch praktizieren.
Wenn die Aberkennung rechtens ist, hat die Gute ja nur Abitur.
Gibt wohl bald ein Gestz welches eine Verjährung von erschlichen
Titeln beeinhaltet, unter Beibehaltung derselben,
Zitieren
#6
Dass bei der Prüfung von Doktorarbeiten anscheinend so viel geschlampt wird, dass sie einer neuen Überprüfung nach Jahrzehnten plötzlich nicht mehr standhalten, ist schon merkwürdig genug. Anscheinend hat sie sich damals wohl niemand richtig durchgelesen; und es ist ja wohl anzunehmen, dass das nicht nur bei den Doktorarbeiten der späteren Politiker (von deren Karriere man ja noch nichts wusste) so war. Spricht für eine allgemein schlampige Arbeit der früheren Professoren.

Was Petronius über seine Bekannte schreibt, ist natürlich noch ein anderes Kaliber. Das Schlimmste ist, dass ich mir sowas durchaus vorstellen kann...
Zitieren
#7
(06-02-2013, 17:04)petronius schrieb: der langen rede kurzer sinn: mittlerweile hab ich halt schon auch den eindruck, daß dieser ganze dingsbums-plag-hype auch zu einem gutteil künstlich hochgejazzt und zum waschen schmutziger wäsche in der waschküche akademischer eifersüchteleien benutzt wird.

Das dürfte in der Tat so sein. Allerdngs ist der Vorwurf die eine, die Überprüfung durch den Lehrstuhl wiederum eine andere Sache.
Hilfreich sind derlei Vorwürfe für die Gegner der jeweiligen Person (bzw. Partei) allemal.
Zitieren
#8
(06-02-2013, 17:12)Harpya schrieb: Warum zweierlei Maß anlegen, Doktortitel zu Unrecht erworben, Doktortitel weg
wenns rauskommt.
Was sie fachlich geleistet mag da noch so gut sein

Nun ja, ein Politiker der es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nimmt ist zumindest unglaubwürdig. Vor allem, wenn man dann noch Bildungsministerin ist.
Allerdings ist die Qualifikation für ein Ministerium wohl ohnhin nicht vordergründiges Kriterium. Anders kann der Bocksprung von Ministerium zu Ministerium kaum erklärt werden. Eben noch Familienminister, heute schon Verteidigung (mal salopp formuliert).
Oder welche überragende Qualifikation bringt beispeilsweise der Oberfeldwebel Niebel mit, um das Entwicklungsministerium zu leiten?
Zitieren
#9
(06-02-2013, 17:16)Lelinda schrieb: Was Petronius über seine Bekannte schreibt, ist natürlich noch ein anderes Kaliber. Das Schlimmste ist, dass ich mir sowas durchaus vorstellen kann...

ich bitte nochmals, das anekdotisch zu sehen. ich kenne nur die darstellung der einen seite, und bin selber keinewegs in der lage, die magisterarbeit zu beurteilen

andererseits war ich lange genug an der uni, und nicht nur als student, um nicht zu wissen, wie es im lehrkörper so zugeht...

spielt aber wohl bei fr. schavan keine rolle. ihre alma mater hat gesprochen, damit ist für mich die sache beendet (ihre eventuelle klage dagegen ist etwas anderes, da kann ich z.b. hrn. bosbach nicht folgen, der meint, der uni-entscheid sei ja nur vorläufig, und solange gelte die unschuldsvermutung - da sehe ich einen kategorienfehler). welches licht da auf die uni selbst zurückgespiegelt wird, sollte in einer anderen debatte aufgearbeitet werden


aber noch mal generell: wenn der doktortitel im zuge dieser plagiatsdebatte "profaniert" wird und seinen mythos verliert, soll mir das nur recht sein
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Zitieren
#10
(06-02-2013, 17:24)Gundi schrieb: Oder welche überragende Qualifikation bringt beispeilsweise der Oberfeldwebel Niebel mit, um das Entwicklungsministerium zu leiten?
Zustimmung soweit,Politik und Fachwissen bedingen nicht einander.

Erschleichen von Leistungen, wenn dem so ist, mit daraufaufbauender
Vorteilsnutzung ist aber eine andere Sache.

Kommt ja dann noch soweit, das ein Bankräuber straffrei ausgeht, weil er seine
Beute sozialverträglich und besser als die Bank anlegt.
Zitieren
#11
bei meinem damaligem nebenjob chillten viele mit einem doktortitel rum die da forschung betrieben.
ich fands interessant. nur viel zu sagen, hatte das irgendwie nicht, ausser das man damit mehr geld bekommt. meinte mal eine die so ein ding trug und das man sich für sowas 2 jahre zeit nehmen muss.

ich habe eh das gefühl das so ein titel heutzutage eher einem dumpingpreis unterliegt und zu viele mehr ein ökonomisches sowie ein gesellschaftliches status interesse haben diesen titel zu tragen, als einen tatsächlichen inhaltlichen, das mit so einem titel einhergehen sollte.

d.h zu sagen ich bin z.b ein diplom designer klingt zwar gut (auch wenn man ein scheinjäger war), aber ob man wirklich so gestaltet ist eine andere frage. so seh ich das auch mit diesen dr. titeln.

darüber urteilen kann ich aber nicht. ich erinnere mich an einen physiker, der ist auch doctor keine ahnung. der typ war krass. der ging ab. zeigte den man irgendwelche seiten, fing er an mit mathematischen wechselbeziehungen - so schnell.... der hat so ein analytischen kopf gehabt, ich fands echt beeindruckend.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: