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Etrusker
#1
(Text in Arbeit)

Das heutige Wissen über die Etrusker ist spärlich, ihre ↗Schrift und ↗Sprache weitgehend unverstanden. Das Bild, das sich die einschlägige Wissenschaft über die Etrusker macht, erschöpft sich in der Aufarbeitung ihrer reichen materiellen Hinterlassenschaften und schriftlich erhaltenen Fremdzeugnissen. Oberflächlich betrachtet liegt das Bild einer Hochkultur des 7. und 6. Jhs vC vor, die rasch verblasste und danach aus der Geschichte verschwand.

↗Etrurien war niemals ein politisch einheitliches Gebilde. Es war vielmehr eine Ansammlung politisch eigenständiger Stadtstaaten, die mehr oder weniger fest umrissene Gebiete kontrollierten. In dieser Hinsicht war Etrurien mit den Verhältnissen im ↗antiken Griechenland vergleichbar.

Das etruskische Kernland lässt sich mit dem Arno im Norden und dem Tiber im Süden und Osten eingrenzen. Das Gebiet war seit der ↗Frühen Eisenzeit besiedelt. Das fruchtbare Land konnte seine Bevölkerung problemlos ernähren. Schon früh entstanden durch Zusammenwachsen kleinerer Ansiedlungen erste städtische Zentren. Leicht erschließbare Metallvorkommen, insbesondere das Eisenerz im Kernland, waren die Grundlage für Handel und Wohlstand. In frühen griechischen Quellen werden die Etrusker Tyrrhener1 genannt. Noch heute wird das Seegebiet zwischen ↗Sizilien, ↗Sardinien, ↗Korsika und dem italienischen Festland Tyrrhenisches Meer genannt.

Im späten 8. Jh vC beginnt sich aus den landbesitzenden Familien eine Oberschicht zu entwickeln, die die Politik in den Städten bestimmt. Etwa um 700 vC wird von den ↗Chalkidiern die ↗Alphabetschrift übernommen. Die phonetischen Werte der Buchstaben sind bekannt. Auch über die Bedeutung von rund 160 Worten weiß man mittlerweile Bescheid.

Was die Herkunft der Etrusker betrifft, konkurrieren zwei unterschiedliche Erklärungsmodelle:

↗Herodot erzählt, dass die Etrusker aus ↗Lydien wegen einer Hungersnot wegezogen wären. Da das Land nur einen Teil der ansässigen Menschen ernähren konnte, musste die Hälfte der Bevölkerung auswandern. Die Betroffenen wurden mit Losentscheid bestimmt. Die Auswanderer segelten nach ↗Italien, siedelten sich dort an und nannten sich nach ihrem Anführer, Tyrsenos, Tyrsenoi (bzw. Tyrrhenoi)2.

Dieser Darstellung stellte ↗Dionysios von Halikarnass entgegen, dass die Etrusker mit den Lydiern weder in der Sprache noch in ihrer ↗Religion und ihren Bräuchen Gemeinsamkeiten vorweisen könnten. Sollten die Etrusker von den Lydiern abstammen, müssten sich doch zumindest Spuren kultureller Gemeinsamkeiten erhalten haben. Darüber hinaus meinte Dionysius, dass sich das Volk, das die Römer Tusker oder Etrusker nennt, selbst als Rasenna bezeichnet hatte3.

Beide Grundpositionen findet man auch in der heutigen Forschungsliteratur wieder.

Auf ↗Lemnos hat man Inschriften gefunden, die Ähnlichkeit zum Etruskischen aufweisen4. Diesen Fund könnte man durchaus als starkes Indiz für die Einwanderungstheorie gelten lassen. Die archäologische Feldforschung meint hingegen, Nachweise für eine kontinuierliche Entwicklung der Etrusker seit dem Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit nachweisen zu können.

Neueste ↗Theorien verbinden die beiden Modelle, wobei die Einwanderung eines ganzen Volkes heute ausgeschlossen wird5. Frühe, sehr intensive Kontakte zu Kulturen des östlichen Mittelmeeres lassen sich archäologisch jedenfalls umfangreich nachweisen.

Die Herkunft der etruskischen Sprache ist bis heute ungeklärt. Fest steht nur, dass das Etruskische keine indogermanische Sprache ist.

Gegen Ende des 6. Jhs beginnt der etruskische Einfluss in Italien zu schwinden. Die Konflikte griechischer Stadtstaaten untereinander bringen Nachteile für den etruskischen Handel. Insbesondere mit der Zerstörung von ↗Sybaris durch Kroton (510 vC) geht den Etruskern ein wichtiger Handelspartner verloren. 505 vC eskaliert der latente Konflikt mit der griechischen Stadt ↗Cumae. Es kommt zu einer Schlacht, die die Etrusker verlieren. 474 vC kommt es zu einer weiteren kriegerischen Auseinandersetzung mit Cumae und dem mit Cumae verbündeten ↗Syrakus. Es kommt zu einer für die Etrusker verlustreichen Seeschlacht. In der Folge ist die etruskische Machtstellung erheblich geschwächt. Nach und nach beginnen italienische Völker in das etruskische Siedlungsgebiet einzudringen. 423 vC geht den Etruskern die wichtige Stadt ↗Capua verloren. Ab ca. 400 vC dringen ↗keltische Stämme über die Alpen auf etruskisches Siedlungsgebiet vor und setzen sich in der Po-Ebene dauerhaft fest.

In der römischen Überlieferung ist der Niedergang der Etrusker mit der Vertreibung des letzten etruskischen Königs, ↗Tarquinius Superbus, beschrieben. Die Erzählung ist ↗legendenhaft.

Tatsächlich hat ↗Rom ab dem späten 5. Jh seinen Machtbereich in Etrurien ständig erweitert. Es gab regelmäßig lokale kriegerische Auseinandersetzungen, die stets mit Gebietsverlusten etruskischer Stadtstaaten verbunden waren. Die eroberten Gebiete wurden mit römischen Bürgern besiedelt. Damit waren Fakten geschaffen. Allianzen etruskischer Städte gegen die Aggression der Römer gab es zunächst nicht. Erst in der ↗Schlacht von Sentinum (295 vC) versuchte ein Bündnis einiger nordetruskischen Städte, sich mit keltischer Unterstützung den Römern entgegenzustellen. Die Schlacht ging für das Bündnis verloren. Andere etruskische Städte ließen sich ohne Widerstand in das römische Herrschaftsgebiet eingliedern. Auf diese Weise versuchte deren Oberschicht, den Besitzstand zu sichern und das ↗römische Bürgerrecht zu erhalten. Manche adelige Etrusker heiraten auch in die römische ↗Aristokratie ein.

Im Rahmen des ↗Bundesgenossenkrieges (90/89 vC) erhielten alle freien Bewohner Etruriens das römische Bürgerrecht. Die etruskische Sprache war nur mehr spärlich im Gebrauch. Vereinzelt lassen sich Inschriften auf Etruskisch noch für die Zeit des ↗Augustus nachweisen. Zur Zeit von ↗Claudius sind die Etrusker schon Gegenstand historischer Forschung. Claudius schreibt eine zwanzigbändige Etruskische Geschichte. Das Werk ist nicht erhalten.

Die religiösen Vorstellungen der Etrusker wichen von jenen der Griechen und Römer nur wenig ab. Ursprünglich dürften die etruskischen Götter gestaltlos gewesen sein. Erst durch den Kontakt mir den Griechen nahmen sie Gestalt an. Die etruskischen Götter hatten wie die griechischen und römischen konkrete Aufgaben und Wirkungsbereiche. Diese waren allerdings mit jenen der entsprechenden griechischen und römischen Götter nicht immer deckungsgleich.

Der etruskische Gott Tinia wurde beispielsweise dem griechischen Göttervater ↗Zeus gleichgestellt, hatte aber im Gegensatz zu diesem weder die vergleichbare monarchische Gewalt über die anderen Göttern, noch das Monopol auf das Blitzeschleudern. Darüber hinaus war Tinia auch Vegetationsgott.

Blitzeschleudern durften auch noch neun weitere etruskische Götter, unter diesen auch die Frau des Tinia, Uni, die der ↗Hera vergleichbar gewesen war. Mit Menrva (= ↗Athena) traten Tinia und Uni auch als göttliche Dreiheit auf.

Andere Entsprechungen griechischer (römischer) Götter waren beispielsweise Turan (= ↗Aphrodite), Göttin der Sexualität und Fruchtbarkeit, Nethuns, der ursprünglich ein Gott der Quellen gewesen war (= ↗Poseidon), Aplu (= ↗Apollon), Laran (= ↗Ares), Turms (=↗Hermes) und Fufluns (=↗Dionysos).

↗Priester und Priesterinnen wurden von Adelsfamilien gestellt. Das priesterliche Personal musste über umfangreiche Kenntnisse verfügen, die in Ritualbüchern niedergeschrieben waren. Wichtigste Aufgabe der Priester war es, dafür zu sorgen, dass die religiösen Handlungen peinlichst genau nach dem Willen der Götter abliefen und nichts hinzugefügt oder wegelassen wurde, was die Götter hätte verärgern können. Darüber hinaus waren die etruskischen Priester Spezialisten für Offenbarungen des Himmels6, die Deutung von Blitzschlag und Vogelflug sowie für Weissagungen durch Beschau der Eingeweide von Opfertieren.

Frauen, insbesondere solche der Oberschicht, traten nach Zeugnis griechischer und römischer Schriftsteller ungewöhnlich frei und selbstbewusst auf.

Johann Jakob ↗Bachofen hat im Jahr 1870 behauptet, bei den Etruskern habe das ↗Maternitätsprinzip geherrscht7. Diese Annahme lässt sich nicht belegen. Fest dürfte hingegen stehen, dass die etruskische Frau dem Mann gesellschaftlich absolut ebenbürtig gewesen war, offenbar auch in Hinsicht sexueller Freiheiten, die sich griechische und römische Männer der antiken Gesellschaft fallweise genommen hatten.


1) Hesiod, Theogonie 1016
2) Herodot 1, 94
3) Dionysius v. Halikarnass 1, 30
4) Camporeale 2615
5) Knauß 14
6) Livius I 34, 8
7) Bachofen 223f.


Literatur:
Herodot. Historien. 4. Aufl. 1971 Stuttgart, Verl. Kröner
Dionysius v. Halikarnass, Urgeschichte der Römer in 12 Bänden
Livius, Römische Geschichte
Johann Jakob Bachofen. Das Mutterrecht. 1975 Frankfurt/Main, Verl. Surkamp (Erstveröffentlichung 1861 im Verlag Krais und Hoffmann, Stuttgart)
Giovannangelo Camporeale. Die Etrusker. 2003 Düsseldorf/Zürich, Verl. Artemis & Winkler
Florian S. Knauß u.a., Die Etrusker. 2015 Mainz, Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH



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MfG B.
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